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Stuttgarter Nebelkerzen

Der Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht gegen den Querdenken-Gründer Michael Ballweg offenbart manches, was man in deutschen Landen so kaum für möglich gehalten hätte. Der Beschuldigte berichtet in Video- und Pressestatements von dem Verfahren und spricht in diesem Zusammenhang von einem "lawfare" gegen seine Person. Eine eigene Einlassung von Ballweg bietet dagegen auch eine Angriffsfläche für Fragen an Ballweg selbst.

Video-Statement zum Prozess

Konkret geht es um eine Veröffentlichung, die Michael Ballweg nach dem 5. Verhandlungstag in Form des nachfolgenden Videos tätigte. Darin zeigt er ein Schriftstück, welches ihm von seiner Steuerkanzlei ausgestellt wurde und belegen soll, dass er 2020 und 2021 keine steuerpflichtigen Einnahmen hatte.

Für den Teil des Verfahrens, der sich mit der Frage einer möglichen Steuerhinterziehung beschäftigt, ist eine solche rein steuerliche Betrachtung wohl zielführend. Steuern kann nur verkürzen, wer positive Einkünfte hat. Allerdings befreien steuerliche Verluste den Steuerpflichtigen nicht von der Abgabe einer Steuererklärung, die Ballweg so oder so hätte vornehmen müssen. Die entscheidende Frage ist also nicht allein, ob Steuern hinterzogen wurden, sondern ob Ballweg trotz seiner Inhaftierung seine Steuererklärungen schuldhaft nicht rechtzeitig abgab.

Der Laie würde das wohl immer klar verneinen und die Einlassungen der Zeugen aus den Finanzbehörden, die sich pikanterweise nur mit anwaltlichem Zeugenbeistand vor das Gericht trauten, werfen ein schwaches Bild auf diese Behörden und die Anklagevertreter. Der Verdacht, dass es im Verfahren gegen Michael Ballweg um einen politisch motivierten Prozess handelt, steht damit klar im Raum. Zu bedenken ist auch, dass diesem Prozess eine immerhin rund neunmonatige Untersuchungshaft voraus ging! Das Verfahren wirkt auf uns mutwillig konstruiert und inszeniert. Ein "lawfare", wie Ballweg dazu sagt.

Ballwegs Nebelkerze

Aber auch Michael Ballweg versucht u.E. mit dem gezeigten Schriftstück Nebelkerzen zu eigenen Gunsten zu streuen. Zumindest drängt sich uns dieser Eindruck auf, wenn wir uns das veröffentlichte Statement genauer anschauen.

 

Denn dieses Schriftstück suggeriert dem unbedarften Betrachter, Ballweg habe gar keinen Vermögenszuwachs aus seinen Querdenken-Aktivitäten gehabt. Wie kann es einen Betrug an Schenkern / Spendern gegeben haben, wenn Ballweg "minus" mit seinen Aktivitäten machte?

Hier liegt die Tücke im Detail. Denn das steuerliche Statement spricht von "Einkünften". Dieser Begriff, wenn er von einem Steuerberater in einem zur Vorlage bei Behörden bestimmten Schriftstück verwendet wird, ist ein steuerrechtlicher Fachterminus und bezieht sich immer auf eine bestimmte Einkunftsart.

"Als Einkünfte werden das Nettoergebnis einer Einkunftsart, also Einnahmen minus Ausgaben beziehungsweise der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten, bezeichnet."

Pikant ist nun, dass das Statement des Steuerberaters nicht angibt, auf welche Einkunftsart (Gewerbebetrieb, Firmen- oder Privatsphäre) sich die gemachten Angaben beziehen. Ballweg ist nämlich sowohl als Einzelperson als auch über seine Firma steuerpflichtig und damit verpflichtet, Steuererklärungen sowohl als Privatperson als auch für seine Firmen abzugeben. Zudem ist die gewählte Formulierung "Einkünfte in Zusammenhang mit Querdenken-711" denkbar unkonkret. 

Was sind also die Einkünfte seiner Firma aus Gewerbebetrieb gewesen? Welche Einnahmen und Ausgaben wurden hier verrechnet? Welche Privatentnahmen haben stattgefunden, in welcher Höhe wurden für Querdenken erbrachte Dienstleistungen abgerechnet? Handelte es sich dabei um Verrechnungspreise, die einem Fremdvergleich standhalten?

Solche Fragen kann die Finanzbehörde nur beurteilen, wenn ihr eine Steuererklärung vorliegt und aufgrund dieser eine wirkliche steuerliche Prüfung stattfindet. Was uns zur Ausgangsfrage oben zurückführt, wie man also ohne solche Steuererklärungen überhaupt eine Steuerstraftat seitens des Staates anklagen kann, wo noch nicht einmal die Besteuerungsgrundlagen geklärt sind. Antworten hierauf wird das Verfahren hoffentlich noch ergeben.

An Michael Ballweg muss sich u.E. jedoch die Frage richten, ob höchstpersönliche Schenkungen von seinem Steuerberater berücksichtigt oder ausgeklammert wurden. Diese fallen nämlich in keine Einkunftsart nach Einkommens- oder Körperschaftssteuerrecht, sondern unterliegen ggf. der Schenkungssteuer. Zumindest sofern es sich tatsächlich um echte Schenkungen handelte.

Für das aktuelle Verfahren, ggf. auch für den Teil des "untauglichen Versuchs eines Betruges" ist u.E. nämlich entscheidend, ob die von Querdenken-Unterstützern an Michael Ballweg zugewendeten Beträge tatsächlich Schenkungen sind. Oder ob es sich bei dem "Projekt Querdenken" doch eher um einen Gewerbebetrieb handelte. Dann wären die Unterstützer zwar gutgläubig davon ausgegangen Spenden / Schenkungen zu leisten. Das Einwerben dieser Beträge könnte man dagegen aber auch als "gewerbliche Einkommensgenerierung" sehen und die zugeflossenen Einnahmen folglich als "gewerbliche Einkünfte". Auf eine solche Logik scheint sich womöglich die Staatsanwaltschaft zu stützen. Und dies womöglich nicht ganz ohne Grund.

Zwar hat sich Ballweg als Demo-Organisator betätigt. Viele Aspekte seines "Protestgebarens" wirk(t)en jedoch eher wie die Handlungen eines "Protest-Unternehmers". Vom markenrechtlich geschützten Design, dem Merchandising bis hin zum "unvollendeten Widerständler", der außerhalb seiner Demos kaum erkennbar eine politische Agenda verfolgte, haben Ballwegs Aktivitäten für so einige Irritationen in der "Widerstands-Bewegung" gesorgt. Kritiker Ballwegs aus der Szene warfen ihm schon in den Corona-Jahren vor, "Geld aus dem Widerstand abzusaugen". Dieser Vorwurf wurde auch gegen andere Protagonisten der Szene geäußert.

Fazit

Wenn man den Schilderungen seines Anwaltsteams  und von Ballweg selbst, welche diese nach jedem Prozesstag im Netz verbreiten, glaubt, dann treffen Ballwegs Nebelkerzen auf dysfunktionale, schlecht organisierte Finanz- und Strafverfolgungsbehörden. Folgerichtig sollte man erwarten, dass Ballweg am Ende straffrei bleiben wird, ja muss. Den Staat wird das alles viel Steuergeld kosten, denn Ballweg wird im Erfolgsfalle eines Freispruchs Haftentschädigungen und Schadenersatzansprüche geltend machen können.

Interessant wird auch sein, ob Michael Ballweg in einigen Jahren, nach einer eventuellen "richtigen" Steuerprüfung, nochmals angeklagt werden könnte, sollte man dann feststellen, was die Besteuerungsgrundlagen tatsächlich waren und welche Einnahmen und Ausgaben mit welchen Werten verrechnet wurden. Oder ob "Anklageverbrauch" vorliegt, da man nicht zweimal für das gleiche Vergehen angeklagt werden kann.

Derzeit sind Ballwegs Vermögenswerte, eigenen Angaben zufolge, noch immer vom Staat beschlagnahmt. Kein Wunder also, dass Ballweg eifrig weiter um "Zuwendungen" bittet. Es wird interessant sein zu sehen, ob er diese aktuell eingeworbenen Beträge gemeinnützigen Zwecken außerhalb seiner Einflusssphäre zukommen lässt, wenn sein (mutmaßliches Millionen)-Vermögen wieder freigegeben ist. Oder ob alles, Vermögen, "Spenden" und "Entschädigungen", in der "Familie" bleibt. Der Unternehmer Ballweg bleibt sich bislang u.E. auch im Prozess selbst treu.

Eine objektive Wahrheit werden wir in diesem Rechtsstreit wohl von keiner Seite präsentiert bekommen. "In dubio pro reo".

Demonstrationen, Rechtliches, Michael Ballweg, Prozessberichterstattung