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Der Russe war's

Hat "hessencam" Bildmaterial an Russia Today geliefert bzw. verkauft? Mit diesem Vorwurf sieht sich Joachim Schäfer, der Mann hinter dem Medienprojekt "hessencam", durch die freie Gerichtsreporterin Claudia Jaworski konfrontiert. Ausgangspunkt der Kontroverse ist, dass beide vom Prozess gegen die Braunfelser Ärztin Dr. Heidi Göldner berichteten. Schäfer filmte dabei ein Interview von Jaworski mit, welches diese mit der Beschuldigten und deren Verteidigerteam führte. Teile von Schäfers Videomitschnitt tauchten einen Tag später bei RT.de auf, was in Anbetracht der Tatsache, dass RT.de in der EU gesperrt ist, für sich schon ein Geschmäckle hat. Wie gelangte RT an das Material von "hessencam"? Und sind Jaworskis Vorwürfe berechtigt?

Fakt ist, dass der von RT.de in seinem am 22.08.2024 veröffentlichte Videobeitrag (auch hier) Material enthält, welches Stunden zuvor von "hessencam" auf Youtube veröffentlicht wurde. Der Abgleich lässt keinen Zweifel erkennen, zumal das Videomaterial auch ein Wasserzeichen der "hessencam" enthält und RT.de einen entsprechenden Quellenhinweis angebracht hat. Offenbar beruft sich RT.de auf ein Zitatrecht für seinen Beitrag. Auf Anfragen unseres Mediums an RT.de, wie diese auf den Prozess und das entsprechende Videomaterial aufmerksam geworden sind, antworteten die Russen bislang nicht. Auch nicht zur Frage, ob Ihnen die Einwilligung des Rechteinhabers zur Veröffentlichung vorliegt.

Auch Joachim Schäfer von "hessencam" haben wir diesbezüglich angefragt. Über seinen Anwalt lässt Schäfer erklären, dass das Videomaterial von "hessencam" stammt, er aber einer Verwendung nicht zustimmte und RT.de auch nicht entsprechend um eine Genehmigung bat. Die von Frau Jaworski erhobenen Vorwürfe seien unwahr.

Unsere Redaktion hat auch versucht. Frau Jaworski um eine Stellungnahme anzufragen. Uns würde natürlich interessieren, welche Hinweise sie hat, die den scharf formulierten Verdacht gegen Joachim Schäfer bgeründen. Leider war uns dies bis heute noch nicht möglich.

Youtube-Ungereimtheiten

Vielleicht hängt die Kritik von Jaworski auch damit zusammen, dass ihr Video mit dem Interview, welches sie bereits am 21.08.2024 gegen 20.30 Uhr auf Youtube einstellte, von der Plattform gelöscht wurde (Details hier). Dies geschah nur kurze Zeit nachdem Schäfer seine Version online stellte. Laut Youtube soll Jaworskis Version gegen die Youtube-Gemeinschaftsstandards verstoßen. Die Löschung führte auch zu einer unangenehmen Upload-Sperre für Jaworski. Das "hessencam" Video, welches praktisch inhaltsgleich mit Jaworskis Version ist, blieb dagegen bis heute unbeanstandet.

Dies ist auch deshalb bemerkenswert, da unserer Redaktion Informationen vorliegen, dass auch das "hessencam" Video bei Youtube gemeldet wurde, sogar mit Hinweis auf die Sperrung von Jaworskis Version. Doch anstatt auch das "hessencam"-Video zu löschen oder die Löschung von Jaworskis Version zurückzunehmen, reagierte Youtube bislang weder in der einen noch der anderen Form. Wir wollten von Joachim Schäfer wissen, ob ihm bekannt ist, dass auch sein Video zur Löschung gemeldet wurde. Hierauf erhielten wir bislang keine Antwort.

Da dies unseres Wissens nach nicht das erste Mal ist, dass ein inhaltsgleiches Video bei "hessencam" auf Youtube unangetastet bleibt während eine Version auf einem "kritischen" Kanal der Zensur zum Opfer fällt, stellt sich die Frage, ob Joachim Schäfer und seine "hessencam" bei Youtube unter einem "besonderen Schutz" stehen.

Fazit

Wir haben nach unseren Recherchen keine Hinweise darauf finden können, dass die Vorwürfe von Frau Jaworski in diesem konkreten Fall zutreffend sind. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass RT.de sich eigenmächtig an Material bedient hat, welches in Youtube für jedermann zugänglich war. Ob die Verwendung von RT.de durch das Zitatrecht gedeckt ist oder ein Rechtsverstoß im Raum steht, können wir nicht beurteilen.

Wir haben den Deutschen Journalistenverband angefragt und um eine Einschätzung gebeten. Unter anderem wollten wir wissen, wie sich ein Rechteinhaber in einem solchen Fall verhalten soll und ob er mit Unterstützung durch den Verband rechnen kann. Aus Sicht des DJV war das Verbot von RT in der EU richtig. Journalisten sollten sensibel sein, wenn sie von RT kontaktiert und um Material angefragt werden und die "Propagandaschleuder" RT besser nicht unterstützen. Für den DJV handelt es sich bei dem aktuellen Fall um "geistigen Diebstahl", zu dessen juristischer Verfolgung der DJV seinen Verbandsmitgliedern auch juristische Unterstützung gewährt.

Auch wenn Joachim Schäfer in der Vergangenheit oftmals Anlass für Kritik an seinen Berichtsmethoden gab und einiges rund um das Projekt "hessencam" einer kritischen Berichterstattung würdig ist, scheint der aktuelle Fall nicht der geeignete Anlass für so harte Anwürfe zu sein, wie sie von Frau Jaworski erhoben wurden. Ohne eine echte Fundierung der Kritik bleibt für uns festzuhalten, dass es wohl "der Russe war", der sich eigenmächtig an Bild- und Tonmaterial der "hessencam" bediente.

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