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Public Private Partnership

Als "Public Private Partnership" bezeichnet man die Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit privaten Firmen bzw. Investoren, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Die Mobilisierung privater Initiative und Geldgeber kann zur Erreichung sonst unerreichbarer Ziele sinnvoll sein. Im Bereich von Infrastrukturprojekten ist dies inzwischen sogar schon fast die Regel, da anders die notwendigen Investitionssummen kaum gestemmt werden können. Die Einbeziehung privater Partner führt zudem oftmals zu schnelleren und effizienteren Realisierungen. Weniger bekannt ist, dass die Privatwirtschaft auch mehr und mehr im Bildungsbereich an Einfluss erhält. Nicht immer zum uneingeschränkten Vorteil der Schülerinnen und Schüler.

Hands on Technology e.V.

Eine solche Kooperation findet bundesweit zwischen den Kultusministerien und dem Verein "Hand-on-Technology e.V." mit Sitz in Leipzig statt. Dieser Verein, 2002 gegründet, arbeitet "erfolgreich im MINT-Bildungsbereich" und organisiert Forschungs- und Roboterwettbewerbe für Kinder und Jugendliche. Sein Ziel ist es nach den Angaben auf der Webseite, nicht nur technische Kompetenzen zu vermitteln, sondern sie auch dazu zu befähigen, Technik sinnvoll zu nutzen, selbstständig zu denken, Ideen effektiv zu kommunizieren und ein harmonisches Miteinander zu fördern.

Aktuell sind 32 Mitglieder dabei, die Vereinsaktivitäten umsetzen und fördern. Darunter gewichtige Namen des Technologiebereichs sowie aus dem Konsumgütersektor:

Einige der Mitglieder des Vereins "HoT e.V."

FIRST Lego League Challenge

Zu den Aktivitäten des Vereins gehört u.a. die Ausrichtung der FIRST Lego League Challenge. Ein Wettbewerb, an dem sich Teams aus Schulen, aber auch aus privater Trägerschaft, beteiligen können. Auch hessische Schulen nehmen an dem Wettbewerb teil. Auf eine Anfrage stellt uns das Hessische Kultusministerium folgende Informationen zum Wettbewerb zur Verfügung:

First Lego League ist ein internationales Bildungsprogramm. Es wurde 1998 durch die amerikanische Stiftung FIRST (For Inspiration and Recognition of Science and Technology) und das Unternehmen LEGO initiiert. In Deutschland, Österreich und der Schweiz organisiert die Non-Profit-Organisation Hands on Technology e.V. seit 2002 das Bildungsprogramm.

Das Programm fördert die Schülerinnen und Schüler nachhaltig in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) sowie in Robotik. Es erleichtert den Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Zugang zu naturwissenschaftlichen Fächern und weckt frühzeitig ihre Motivation, einen Ingenieur- oder IT-Beruf zu lernen. Die Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich mit komplexer Technik, lernen, Probleme strategisch zu lösen und werden an das wissenschaftliche Arbeiten herangeführt. Darüber hinaus werden überfachliche Kompetenzen wie Team-, Präsentationsfähigkeit, Projektmanagement und Kommunikation geschult.

Die Aufgabenstellungen im Wettbewerb – hier der First Lego League Challenge für 9- bis 16-jährige – stützen sich auf die Bereiche: Forschung und Robotik. Zur Teilnahme am Wettbewerb werden jährlich wechselnde Themenstellungen aus den verschiedensten Bereichen wie z. B. Recycling, Energie, nachhaltiger Städtebau, Weltraumforschung oder Logistik angeboten.

Mit Bezug zum Jahresthema arbeiten die Teams an einer selbstständig gewählten Problemstellung, erforschen Lösungsideen und entwickeln diese planvoll weiter. Neben der Recherche sprechen die Teams mit Expertinnen und Experten im Themenfeld, entwickeln Prototypen und erarbeiten eine Präsentation um die eigenen Ergebnisse vorzustellen.

Jedes Team konstruiert und programmiert einen Lego Roboter, der auf einem vorgegebenen Spielfeld autonom Aufgaben löst. Das Spielfeld besteht aus einer ausrollbaren Matte und Lego Modellen, die auf der Matte platziert werden und mit denen der Roboter arbeitet.

Die Robotik-Schulung nutzen Schülerinnen und Schüler auch zur Wettbewerbsteilnahme an weiteren MINT-Wettbewerben (z.B. Jugend forscht, Bundeswettbewerb Künstliche Intelligenz). Die erworbenen Kompetenzen lassen sich für auf weitere Forschungsfragen übertragen.

Die hohe und weiter zunehmende Bedeutung der Thema Digitalisierung und Robotik sind unbestreitbar. Auch dürften gute und sehr gute Kenntnisse in den MINT-Fächern Kindern bessere Berufs- und Zukunftschancen bieten und dem Arbeitsstandort Deutschland zugute kommen. Wir könnten es hier also dabei bewenden lassen, die private Initiative mit Beifall bedenken und dem Kultusministerium ein Lob aussprechen.

Cui bono?

Doch nicht ganz so schnell. Das Event trägt den Namen Lego ja nicht "umsonst". Oder doch? Klar ist, dass die "Challenge" mit Lego Robotik-Baukästen bestritten werden muss. Nun würde man vielleicht denken, dass es sich die Firma Lego und ihre zahlungskräftigen Partner aus der Industrie zur Aufgabe gemacht haben, dieses Bildungsangebot an öffentlichen Schulen zu ermöglichen. Man könnte meinen, dass während die Schulen Räumlichkeiten und Lehrkräfte bereitstellen, die Privatwirtschaft zumindest einen Teil der damit einhergehenden Kosten trägt. Denn diese sind durchaus beachtlich.

Wenn man sich als private Gruppe anmelden möchte, muss man fast 300 Euro Anmeldegebühr tragen und zudem sämtliche Materialien, wie zum Beispiel den Bausatz selbst bezahlen. Auf der Website der US-Non profit-Organisation "FIRST", die ebenfalls Namensgeber ist und quasi das Pendant zum deutschen Trägerverein darstellt, erfährt man, dass die Materialien schnell bis zu 1.000 US-Dollar zusätzlich kosten. Die Hürden für eine Anmeldung sind also auch finanziell durchaus beachtlich:

Was es braucht um bei der Challenge mitzumachen

Für die Firma Lego scheint das Projekt damit äußerst interessant. Man trägt seine Marke werbewirksam zur Schau, erhält Zugang zu tausenden Kindern in der favorisierten Marketing-Zielgruppe und bekommt sogar noch hunderte von Bausätze, mutmaßlich zu handelsüblichen Preisen, verkauft. Eine "Public Private Partnership", die durchaus erheblichen privaten Nutzen stiftet?!

Jedenfalls sind die Leistungen des Trägervereins "überschaubar":  Dazu erfährt man am ehesten etwas über die Webseite des US-Vereins. Die Leistungen, die über die Teilnahmegebühr erkauft wird, umfassen "Zugang zu Fundraising-Tools" und "Ressourcen" bei der Schaffung eigener Unterstützungsmöglichkeiten der Teams. Hinzu kommen digitale Materialien, die bei der Umsetzung der jährlich wechselnden Themen helfen sollen.

Zudem geht es bei dem Projekt neben dem Vermitteln von technischen und kreativen Kompetenzen vor allem um das Vermitteln von Werten, die sich aber im Vergleich zu den sonst dominierenden "woken" Themen geradezu vernünftig ausnehmen. Innovationsgeist sowie Kooperations- und Teamfähigkeit auch in Wettbewerbssituatonen sind sicher wünschenswerte Ziele für unseren Nachwuchs.

Die "öffentliche Hand"

Wie gesagt, die Zielsetzung des hier behandelten Projektes ist sicher gut. Doch bedarf es dazu einer Partnerschaft, die so deutlich kommerzielle Interessen fördert? Denn nicht nur Lego profitiert durch Marketingeffekte und Bausatzverkauf. Alle Sponsoren haben einen deutlichen Marketingeffekt. Zudem bilden sich die Firmen hier quasi ihren Nachwuchs mit den ihnen "genehmen Werten" aus. Offen ist auch die Frage, was mit den kreativen Ergebnissen der Teilnehmer passiert. Ist deren geistiges Eigentum geschützt oder gehen die besten Ideen gleich irgendwo "in Produktion"? Wer kontrolliert das? Wer sichert eine adäquate Vergütung? Das mag nachrangig klingen, doch bei hunderten oder tausenden von Teams, die sich Jahr für Jahr hier beteiligen, ist es sehr wahrscheinlich, dass der eine oder andere Beitrag "wertvoll" ist. Über den Umgang mit den Modellen konnten wir nichts in Erfahrung bringen. Lego selbst hat unsere Anfragen nicht beantwortet.

Dankenswerterweise auskunftsfreudiger war die Pressestelle des Hessischen Kultusministeriums. Von dort erfahren wir, dass sich in den Saisons 2022/23 und 2023/24 deutschlandweit 344 Schulen mit einem oder mehreren Teams am "Challenge"-Wettbewerb angemeldet haben. Hinzu kommen weitere 70 Teams anderer Institutionen.

Auf unsere Frage, ob es Auflagen oder Vereinbarungen mit dem Veranstalter bzw. den diesen tragenden Konzernen gibt, wurde dies verneint. Die Konzerne leisten keine direkte Unterstützung an das Kultusminsterium oder die Schulen. Im Gegenteil: das Hessische Kultusministerium fördert dieses Projekt großzügig. "Für das gerade laufende Schuljahr 2023/2024 werden für das Bildungsprogramm First Lego League insgesamt 850.000€ für die Sets, Fortbildungen und Workshops für Lehrkräfte, Handbücher, Urkunden, Pokale etc. bereitgestellt", teilt uns das Hessische Kultusministerium hierzu auf Anfrage mit.

Darin nicht eingeschlossen sind die sogenannten "eh da"-Kosten, also der zeitliche Aufwand, den Lehrerinnen und Lehrer sowie Betreuer und Coaches leisten und über die ohnehin an diese Gruppe bezahlten Bezüge vergütet werden. Zeit, die aber für andere Lerninhalte oder zum Beispiel zum Ausgleich von Vertretungsstunden bei Lehrkräfte-Ausfall, weniger zur Verfügung steht.

Fassen wir zusammen: Die Industrie designed einen Wettbewerb, der Kindern nicht nur Wissen und Spaß vermittelt, sondern natürlich auch potentiellen Arbeitskräftenachwuchs heranzieht. Obwohl große, namhafte und sehr zahlungskräftige Firmen und Organisationen als Sponsoren zur Verfügung stehen, im Falle von Lego sogar Namenspatron und Baukastenlieferant sind, scheinen die Kosten ganz überwiegend aus Steuermitteln bestritten zu werden. Ist es wirklich im Interesse der Allgemeinheit, einem privaten Unternehmen einen derart lukrativen Zugang zu seiner "Zielgruppe" zu gewähren?

Wenn man in dieser Art eine "Public Private Partnership" definiert, dann verkommt das "public" zur Plattform, auf dem "private" seine Geschäfte macht. Eine einseitige "partnership".

Kein Einzelfall

Wer denkt, dass dieses hier ein Einzelfall ist, den muss man enttäuschen. Ein anderes Unternehmen hat noch einen viel besseren "Deal" mit dem Kultusministerium geschlossen. Und diese Firma heißt Apple. In vielen hessischen Schulen wird das neue Lernfach "Digitale Welt" eingeführt. Obwohl es an vielen Ecken und Enden hapert und man keineswegs davon sprechen kann, dass es schon wirklich funktionierende pädagogische Konzepte für die Nutzung von Tablet-Computern im Unterricht gäbe, steht ein Gewinner in jedem Fall schon fest, nämlich der Techgigant aus dem Silicon Valley. "iPad-Klassen" nennen sich die Schuljahrgänge, die sich mit diesem neuen Lernfach konfrontiert sehen. Für die Eltern bedeutet dies die zwangsweise Anschaffung von bis zu 800 Euro teuren iPad-Computern.

Es gibt nur diese eine Marke, die zugelassen ist. Android, der eigentlich größere Konkurrent, ist außen vor. Das bedeutet, dass Familien mit ausschließlicher Android-Nutzung erhebliche Schwierigkeiten im Umgang und vor allem bei der Administration zum Beispiel von Bildschirmzeiten und Apps etc. haben. Für die Schulen ist es natürlich besser, eine homogene Arbeitsumgebung zu haben, um überhaupt zentral administrieren zu können. Doch dann würde man zumindest denken, dass auch bezahlt, wer die Suppe bestellt.

Kostenlos gestellt bekommen die Geräte nur finanzschwache Familien, welche eines der meist raren Schulgeräte ergatten können. Für alle anderen ist die zentrale Entscheidung zu einer "iPad-Klasse" eine erhebliche Investition mit ungewissem pädagogischem Nutzen. Denn weder schaffen diese Geräte die Schulbücher ab, noch werden damit Informationen besser gebündelt und das Lernen leichter. Zahllose unterschiedliche Apps sowie eine fragmentierte Nutzung je nach Unterrichtsfach und Lehrkraft sind zum Beispiel Problembereiche.

Und auch schulübergreifend gibt es anscheinend wenig Koordination. So kann es passieren, dass im gleichen Landkreis einzelne Schulen digitale Klassenbücher führen, während andere das strikt ablehnen. Bevor man solche neuen Konzepte auf die Kinder und ihre Eltern loslässt, sollte man vielleicht erst einmal top-down die Hausaufgaben erledigen, Standards der Nutzung definieren, Personal schulen und pädagogische Konzepte entwickeln.

Wie es derzeit läuft kann man sich als Politiker zwar mit angeblichen Fortschritten in der Digitalisierung rühmen. Die wahren Gewinner sind aber Firmen wie Apple, denen man monopolartigen Zugang zu den Kunden der Zukunft verschafft, und die dafür noch nicht einmal - jedenfalls nicht mit positiver Wirkung auf Kinder und Eltern - einen (finanziellen) Ausgleich zahlen.

Fazit

Die beiden geschilderten Projekte der Zusammenarbeit zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Hand zeigen, dass genauer hingeschaut werden muss. Auch wenn die Zielsetzungen der Projekte prinzipiell wünschenswert sind, darf dies nicht dazu führen, dass hier sehr deutliche kommerzielle Vorteile für einzelne Unternehmen verschafft werden, ohne dass diesen gleichwertige Gegenleistungen entgegenstehen. Zumindest muss man dies in den geschilderten Fällen aufgrund der bereitgestellten Informationen in Frage ziehen. Wer entscheidet, mit wem solche Kooperationen eingegangen werden? Wer legt die Konditionen fest? Wer ist an der pädagogischen Konzeption beteiligt? Es gibt viele Fragen.

Politik, Bildungspolitik, Hessen, Hessisches Kultusministerium, Lego, Apple, Public Private Partnership, Hands on Technology e.V., FIRST Lego League

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