Ohne Alternative?
Das kommt überraschend: Die designierte SPD-Landratskandidatin Janin Schütt zieht ihre Kandidatur "aus persönlichen Gründen" zurück. Die Wahrscheinlichkeit steigt damit, dass der bisherige Amtsinhaber, Landrat Michael Köberle, ohne Gegenkandidatin zur Landratswahl am 09.06.2024 antreten kann. Das ist aus mehreren Gründen keine gute Nachricht.
Schütt zieht zurück
Schwerer Schlag für die SPD im Landkreis Limburg-Weilburg: Die designierte Kandidatin für die Landratswahl hat überraschend, kurz vor der "Nominierungs"-Unterbezirkskonferenz am 20. März, ihre Kandidatur zurückgezogen. Offiziell aus "persönlichen Gründen". Wir hoffen nicht, dass die Dame unsere Presseanfrage von vor zwei Wochen verunsichert hat. Denn es gab durchaus Fragen zu dieser Kandidatur. So war ersten Stellungnahmen der SPD nicht zu entnehmen, ob Schütt Parteimitglied ist oder nicht. Auch verwunderte, dass die Kandidatin bislang offenbar keinerlei Parteiamt innehatte.
Zwar arbeitet sie in der Geschäftsführung des "Verein für Integration und. Suchthilfe e.V.." in Weilburg und hat damit zumindest in gewissen Bereichen Erfahrungen im Umgang mit der Verwaltung. Als Landrätin hätte sie jedoch weit größere Führungsverantwortung wahrnehmen müssen. Praktische Verwaltungserfahrungen oder eine Leitungsfunktion in einem größeren Unternehmen wären dabei sicherlich von Vorteil gewesen. Zumal ihr gewiss sein durfte, dass die politische Konkurrenz ihr gerne das Leben so schwer wie möglich machen würde.
Antworten auf unsere Fragen wollte Frau Schütt erst nach der offiziellen Nominierung geben. Dazu wird es nun leider nicht mehr kommen.
Ohne Gegenkandidat(in)?
Die Vorzeichen deuten nun darauf hin, dass Landrat Michael Köberle eine "einfache" Wiederwahl ins Haus steht. Denn ob die SPD um ihren Frontmann Tobias Eckert es in der verbleibenden Zeit von nur zwei Wochen (Ende der Bewerbungsfrist ist der 1. April, 18 Uhr) schaffen wird, einen neuen Kandidaten oder eine Kandidatin aufzustellen, ist fraglich. Zumal sich die Frage stellt, was eine zweitklassige Alternative ausrichten kann, wenn Janin Schütt als politisch unbeschriebenes Blatt schon die scheinbar beste Wahl war.
Auch die FDP tritt dieses Mal wohl nicht mit einem eigenen Kandidaten an. Zwar beantwortete die FDP in ihrer "freiheitlichen und liberalen Art" unsere diesbezügliche Presseanfrage nicht. Die Spatzen pfeifen es aber von den Dächern, dass auch die Liberalen keinen geeigneten Kandidaten aufbieten können. Von mangelnden Wahlchancen ganz abgesehen. Bei der letzten Wahl versuchte Dr. Klaus Valeske sein Glück, erreichte auch ein respektables Ergebnis, war aber letztlich chancenlos.
Linke, Freie Wähler und Grüne - alle Gruppierungen sind zu schwach für einen ernstzunehmenden Kandidaten. Die AfD wird ebenfalls keine Alternative gegen Köberle ins Rennen schicken.
Die Schattenseiten des Amtsinhabers
Der Amtsinhaber scheint also ohne Probleme wiedergewählt zu werden. Dass Köberle hohes Ansehen genießt, konnte man schon bei der Kommunalwahl im Landkreis 2021 beobachten. Köberle erzielte die meisten Stimmen unter allen Bewerbern. CDU-Spitzenkandidat plus Amtsbonus plus Corona-Krisenbonus - das reichte für die "pole position" an der Wahlurne. Viele Bürgerinnen und Bürger dürften ohnehin an der Amtsführung des Landrats wenig auszusetzen haben. Das Pflichtprogramm absolvierte Köberle in den letzten Jahren ohne allzu große Reibungen. Größere Fehlsteuerungen sind nicht nach außen gedrungen.
Wäre da nicht die Corona-Zeit gewesen. In dieser zeigte Köberle für die einen konsequente Krisen-Manager-Qualitäten, für die anderen jedoch auch ein mangelhaftes Demokratieverständnis. Besonders in Erinnerung geblieben ist Köberles Verordnung, welche den Menschen in seinem Landkreis per Allgemeinverfügung nur einen Bewegungsradius von 15 km zugestand ("Corona-Leine"). Der Autor klagte dagegen vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden - und bekam Recht. Dass Köberle, der dem Kläger zuvor noch nahelegte, den Rechtsweg zu beschreiten wenn ihm was nicht passe, das Urteil nicht anerkannte und die Verordnung in aller Seelenruhe noch tagelang weiterlaufen ließ, zeugt von einer geringen Wertschätzung dem Rechtsstaat und dem Aufwand, den Bürger für Recht und Freiheit betreiben müssen, gegenüber.
Ähnlich wenig wertschätzend verhält sich Köberles Behörde auch aktuell, in dem sie sich beharrlich weigert, ihrer Auskunftspflicht auch gegenüber alternativen Presseorganen nachzukommen. Das Hessische Pressegesetz ist diesbezüglich eigentlich eindeutig. Es scheint aber, dass wir den Landrat - auch mit anwaltlicher Hilfe - davon überzeugen müssen.
Charakterfrage
Fraglich ist, was die Ursache für derlei Verhalten ist. Sind die Fragen, die ihm gestellt werden, zu unbequem und gefährlich? Dann müsste man erst recht den Dingen auf den Grund gehen. Oder ist es einfach eine Charakterfrage, die den Landrat zu seinem, unter demokratischen und rechtsstaatlichen Gesichtspunkten fragwürdigen Verhalten bewegen?
Die Charakterfrage steht spätestens seit 01.01.2021 ohnehin im Raum. An diesem Tag ließen sich der Landrat sowie fünf weitere, namentlich nicht bekannte, Mitglieder des Corona-Krisenstabes des Landkreises gegen das Virus "impfen". Das war in doppelter Hinsicht pikant. Zum einen, weil gemäß den Priorisierungsregeln zunächst Bewohner von Pflegeeinrichtungen sowie ärztliches und pflegerisches Personal geimpft werden sollten. Dass Köberle bevorzugt geimpft wurde, war Gegenstand eines Akteneinsichtsverfahrens im Kreistag.
Was im Kreistag jedoch nicht erörtert wurde, war zum anderen, dass zu diesem Zeitpunkt in einem Seniorenheim in Limburg ein wahrer gesundheitlicher Notstand herrschte. Bis zu 120 Menschen waren, gemäß einem Bericht in der NNP, am 01.01.2021 schon rund vier Wochen vollständig auf ihren Zimmern isoliert - ohne Besuchskontakte oder Sozialleben in der Einrichtung. Der Elefant im Raum ist also, warum diese Einrichtung nicht ganz oben auf der Priorisierungsliste des Landkreises stand - und offenbar niemand am "berüchtigten Sonntag" auf die Idee kam, "wertvollen Impfstoff" in Limburg zu verimpfen.
Zu den weiteren Highlights unseres Landrates gehörten auch das Verteilen von - mutmaßlich nicht zertifizierten - FFP2-Masken an Schulen und damit eine Gesundheitsgefährdung von Schülerinnen und Schülern sowie die konsequente Dialogverweigerung zu einer überfälligen Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen. Auch würde man von einer effektiven Opposition, die es im Landkreis Limburg-Weilburg offenbar nicht gibt, erwarten, dass sich diese 2020/2021 mit der Vergabepraxis des Landrats für die Testzentren im Landkreis befasst hätte. Die "Bürgertestung" war nämlich nicht nur ein (bundespolitisch angeordnetes) Steuergeld-Grab sondern wies lokal einige Fragzeichen auf.
Wenn Michael Köberle ohne politische Konkurrenz zu einem Wiederwahl-Spaziergang kommt, dann bleibt zu hoffen, dass er dies nicht als Indiz dafür versteht, dass seine Amtsführung unumstritten ist. Es fehlt uns Wählerinnen und Wählern einfach nur die Alternative.
Nachtrag 21.03.2024: Wie das Online-Portal "mittelhessen.de" heute berichtet, verzichtet die SPD auf eine weitere Nominierung. Tobias Eckert machte dafür primär terminliche Gründe verantwortlich. Aber es fehlt offenbar auch an geeigneten Kandidaten, nachdem der "Erste Kreisbeigeordnete", Jörg Sauer, wohl schon frühzeitig signalisiert hatte, nicht erneut gegen Michael Köberle anzutreten. Damit geht Landrat Köberle ohne Gegenkandidaten in die Wahl.
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