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Der Dom-Film-Knabe

Wer ist Joachim Schäfer? Viele kennen den Mann als Kopf hinter dem Medienprojekt "hessencam". Weit weniger bekannt ist, dass er auch Pastoralreferent der Katholischen Dom-Gemeinde Wetzlar ist. Schäfer ist umstritten. Kritiker werfen ihm vor, Persönlichkeitsrechte mit seinen Videos zu verletzen und mit seiner Neigung, "diskursiv Nazis zu erschaffen", Menschen in die rechte Ecke zu rücken. Nicht immer zurecht. Schäfer ist auch politischer Aktivist und veranstaltet selbst politische Demonstrationen, wie zuletzt am 03.02.2024 in Wetzlar. Ein kritisches Portrait eines ungewöhnlichen "Kirchenmannes".

Auf der Webseite der Wetzlarer Domgemeinde erfahren wir zu Joachim Schäfer: "Joachim Schäfer ist seit 1999 in der Pfarrei tätig. Er arbeitet mit in der Firmvorbereitung und engagiert sich im Themenbereich Migration und Integration. Herr Schaefer unterrichtet das Fach Religon an der "Schule an der Brühlsbacher Warte", einer Schule mit den Förderschwerpunkten Lernen, körperliche und motorische Entwicklung und mit einer Sprachheilabteilung in Wetzlar. Dort leitet er auch eine Video-AG."

Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehört laut dem Profil auf der Webseite "Firmkatechese, Mahnwache „Kinder für den Frieden“, Unterricht in der Förderschule, Menschenrechtsarbeit, Erinnerungskultur, Stadtpolitik (Demokratieförderung), Interkultureller Dialog, Jugendmedienarbeit (hessencam)"

Tatsächlich nimmt die Tätigkeit für "hessencam" wohl einen nicht unerheblichen Teil seiner Arbeitszeit ein. Wenn das Thema passt, zum Beispiel in Zeiten von Corona, reist Schäfer schon einmal nach Frankfurt oder Berlin, um "zeitgeschichtliche Aufnahmen" anzufertigen. Ganz aktuell reiste er "sieben Tage durch Thüringen". Urlaubsreise oder Dienstreise für die Kirchenarbeit? Unklar ist, ob Schäfer diese Reisen alleine oder in (jugendlicher) Begleitung durchführt.

Für seine Videos betreibt Schäfer durchaus einiges an Aufwand, filmt oftmals mit mehreren Kameras und schneidet seine Videos aufwändig.

Aber nicht nur das Demogeschehen im Allgemeinen oder die Redebeiträge im Besonderen stehen bei Joachim Schäfer im Fokus. Vielfach beschweren sich Teilnehmer über Portraitaufnahmen aus nächster Nähe. So manches mitgeführte Objektiv scheint eher der Detail- als der Übersichtsaufnahme zu dienen. Uns wurde berichtet, dass Demo-Teilnehmer teils ohne Vorwarnung in Gespräche verwickelt werden und sich dann unvermittelt in Youtube-Beiträgen verewigt sehen. Auch wurde berichtet, dass lautstark vorgebrachter Widerspruch, nicht gefilmt werden zu wollen, von Schäfer unbeantwortet und wohl auch unbeachtet geblieben ist.

Auffällig ist jedoch, dass es immer öfter zu Verpixelungen in den Videos kommt. Kann es sein, dass die eine oder andere Beschwerde doch zu einem (partiellen) Umdenken geführt hat?

Während sich Schäfer in Interviews oder in seinen Videos meist meinungstechnisch bedeckt hält, framt er Teilnehmer oder gefilmte Events gerne durch seine Youtube-Überschriften und Videobeschreibungen. Er scheut auch nicht davor zurück, nur aufgrund seiner oberflächlichen Vorortbeobachtungen Teilnehmer als zu bestimmten Organisationen oder politischen Strömungen zugehörig zu bezeichnen. Nicht immer treffen diese Zuschreibungen aus Sicht der Betroffenen zu.

Kirchen- oder Privatprojekt?

Die rechtliche Verankerung des Projektes "hessencam" ist unseren Recherchen nach ziemlich dubios. Einerseits wird dieses im Impressum als kirchliches Projekt vorgestellt, welches Jugendlichen Medienarbeit näher bringen soll. In diesem Zusammenhang wird der Pfarrer der Domgemeinde, Peter Hofacker, als "Verantwortlicher" genannt.

Andererseits führt Schäfer das Projekt wie sein eigenes, tritt als "lone wolf" auf und nutzt seine Plattform massiv zur politischen Agitation und zur Diffamierung von aus seiner Sicht unliebsamen politischen Protagonisten. Nach außen stellt er es als "professionelles journalistisches Angebot" dar und beruft sich auf entsprechende medienrechtliche Sonderrechte.

Wir fragten deshalb bei der Domgemeinde an und wollten wissen, inwieweit Schäfer in seinen Handlungen kontrolliert wird bzw. ob die Kirchengemeinde mit dem intensiven politischen Engagement seines Pastoralreferenten einverstanden ist. Eine Antwort hierauf haben wir nicht erhalten. Ebenfalls unbeantwortet blieben unsere Fragen nach dem Ausmaß der gewährten finanziellen und sonstigen Förderungen des Projektes durch die Domgemeinde.

Kontakte zur Antifa?

Ein weiterer oft gehörter Kritikpunkt an der Arbeit von Joachim Schäfer bezieht sich darauf, dass sich viele Menschen fragen, was mit dem umfangreichen Bild- und Tonmaterial geschieht, welches Schäfer im Rahmen seiner "Medienarbeit" sammelt. Betroffene befürchten, dass vor allem die mutmaßlich angefertigten Portraitaufnahmen eventuell katalogisiert und in Datenbanken überführt werden - und womöglich an unbefugte Dritte, zum Beispiel aus dem Bereich der Antifa, weitergereicht werden könnten.

Das Projekt scheint jedenfalls im politischen Raum Beachtung zu finden. Der Youtube Kanal wird aktuell von mehr als 13.000 Menschen abonniert.

Aus diesem Grund wollten wir von Schäfer und seinem Arbeitgeber wissen, ob und wie Material dauerhaft gespeichert wird und ob sichergestellt ist, dass nur Befugte Zugriff auf die gesammelten Materialen haben und das unter keinen Umständen Bild- und / oder Tonmaterial entgeltlich oder unentgeltlich weitergereicht wird. Auch auf diese Fragen haben wir keine Antworten erhalten, so dass den geäußerten Sorgen von Betroffenen weder von Schäfer noch der Domgemeinde bislang wirksam entgegengetreten wird.

In diesem Zusammenhang fragen wir uns, wer die umfangreiche und sicher nicht billige Ausstattung von Schäfers "hessencam"-Projekt finanziert hat. Handelt es sich um Ausstattung, die von der Domgemeinde angeschafft wurde? Sind Computer mit dem Netzwerk der Domgemeinde verbunden und wie ist "hessencam" in die IT-Infrastruktur der Domgemeinde eingebunden?

Auf der Webseite der "hessencam" heißt es, dass bis zu 10 Jugendliche - in wechselnder Zusammensetzung - an dem Projekt mitarbeiten. Inwieweit haben diese Zugang auch zu sensiblen Persönlichkeitsdaten der Personen, die von Schäfer gefilmt bzw. interviewt werden? Gibt es wirksame Verschwiegensheitserklärungen?

Black Box

Schäfer selbst bemührt sich um keinerlei Transparenz. Er, der schon dabei beobachtet wurde, wie er durch geschlossene Fenster zu filmen versuchte oder Menschen sogar im Privatleben nachschnüffelte, verbittet sich Nachfragen bzw. ignoriert sämtliche kritischen Fragen.

Wir fragen uns daher, ob es die Aufgabe einer katholischen Kirchengemeinde ist, politisch-aktivistischen "Journalismus" im Grenzbereich finanziell und ideeell zu fördern. Vor allem dann, wenn in der Medienarbeit "falsches Zeugnis wider des Nächsten" abgelegt wird, wäre wünschenswert, wenn der "Dienstherr" Aufsicht über den Angestellten ausüben würde. Ob dies bei Joachim Schäfer und "hessencam" der Fall ist, daran haben viele Menschen mit denen wir gesprochen haben, erhebliche Zweifel.

Medien, Joachim Schäfer, hessencam