Droht auch Limburg ein Brücken-Desaster?
In der Nacht zum 11. September 2024 brach ein Teilstrang der Dresdner Carolabrücke unerwartet ein. Glücklicherweise kam bei dem Einsturz kein Mensch zu schaden, da zur Einsturzzeit niemand auf oder unter der Brücke unterwegs war.* Als Ursache zeichnet sich ab, dass notwendige Sanierungsarbeiten an der Brücke wohl nicht rechtzeitig veranlasst wurden. Ein Teil der Brücke war zwar bereits saniert worden, der eingestürzte Abschnitt wurde für tragfähig gehalten - war es aber dann offensichtlich doch nicht.
Auch in Limburg gibt es eine wichtige Verkehrsbrücke, deren Sanierung ansteht und die mehrfach zeitlich verschoben werden musste. Wie steht es um die Sicherheit dieses Bauwerks?
Limburgs "Königs-Brücke"
Die Lichfield-Brücke ist eine zentrale Verkehrsader in Limburg. Über die sog. "neue Lahnbrücke" fließt ein Großteil des Pendel- und Durchgangsverkehrs der Domstadt. Die über die Brücke führende Bundesstraße ist zudem eine wichtige Ausweichroute, sollte auf der Autobahn A3 ein Stau oder eine Sperrung sein. Würde wie in Dresden die Lichfield-Brücke ungeplant ausfallen, wäre ein erhebliches Verkehrschaos für die Domstadt Limburg vorprogrammiert. Zudem ist die Brücke, ähnlich wie die Carolabrücke in Dresden, nicht nur für Autos unentbehrlich, denn wichtige Versorgungsleitungen "hängen" im wahrsten Sinne des Wortes an der Brücke.
Aus diesem Grund gestaltet sich die Sanierung der Brücke, die ursprünglich für 2025 vorgesehen war, auch als schwierig. Eine fünfjährige Bauzeit wird hierfür veranschlagt, die zudem in mehreren Etappen durchgeführt werden muss, um auch während der Bauzeit einen mehrspurigen Verkehr in beiden Richtungen zu ermöglichen.
Doch aus dem Sanierungsbeginn 2025 wird nichts. Aufgrund von Problemen im Zusammenhang mit der Baugrunderkundung, die vorrangig gelöst werden müssen, wurde der Sanierungsbeginn nun auf 2031 terminiert. Wie steht es aber um die Sicherheit des Bauwerkes? Hält dieses der mehrjährigen Über-Beanspruchung stand? Immerhin musste die Brücke bereits für Schwerlasttransporte von mehr als 44 t gesperrt werden.
Notfall-Pläne und Standsicherheit
Wir haben nachgefragt, bei derStadt Limburg und bei "Hessen Mobil". Letztere ist die zentrale Stelle, die für die Überwachung der Sicherheit von Straßen-Bauwerken in Hessen zuständig ist und auch die Sanierungsvorhaben plant und überwacht.
5.413 Brücken-Teilbauwerke an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen liegen hessenweit in der Zuständigkeit von Hessen Mobil. Auf Anfrage teilt man uns mit, dass davon aktuell 4,25% (oder 230 Teilbauwerke) in einem kurz- bis mittelfristig sanierungsbedürftigen Zustand sind. Für Autobahnbrücken ist die bundeseigene Autobahn GmbH zuständig.
Auf der Webseite von Hessen Mobil wird dargestellt, was alles im Zusammenhang mit Brückenbauwerksprüfungen wissenswert ist. Hessen hat spätestens seit dem ungeplanten Einsturz der Salzbachtalbrücke (eine Autobahnbrücke) seine eigenen Erfahrungen mit unerwarteten Brückenereignissen. In unserer Anfrage zeigt sich Hessen Mobil für die Sicherheitsbedenken sensibilisiert.
"All unsere Bauwerke werden regelmäßig geprüft. Dafür haben wir ein Team von speziell ausgebildeten Ingenieurinnen und Ingenieuren sowie Technikerinnen und Technikerinnen, das ständig in der Region unterwegs ist, um die Bauwerke im Blick zu behalten. Wie die Prüfung auszusehen hat, ist sogar in einer DIN-Norm festgehalten. Das bedeutet: Wir machen nach DIN 1076 alle sechs Jahre eine Hauptprüfung, alle drei Jahre dazwischen eine Einfache Prüfung. Zudem wird jedes Bauwerk jedes Jahr von unseren Brückenexperten vor Ort besichtigt. Mindestens zweimal jährlich machen zusätzlich unsere Straßenmeistereien ausführliche Sichtkontrollen. Das Team der Bauwerksprüfung ist auch nach besonderen Ereignissen wie Hochwasser oder Unfällen vor Ort, um die Stabilität der Bauwerke zu begutachten. Wir wissen also genau über den Zustand jeder einzelnen Brücke an unseren Straßen Bescheid.", teilt man uns auf unsere Anfrage hin mit.
Weiter heißt es: "Die Daten aus den Brückenprüfungen zeigen uns, wo wir was tun müssen, um die Brücken instandzuhalten. Auf Basis dieser Informationen planen wir unsere Baumaßnahmen. Wenn wir gravierende Schäden feststellen und die Tragfähigkeit eines Bauwerks eingeschränkt ist, müssen wir sofort reagieren. Das tun wir in der Regel mit Gewichtsbeschränkungen oder LKW-Verboten."
Das klingt beruhigend und wirft dennoch nach dem Dresdner Unglück die Frage auf, ob man dort den Zustand fahrlässigerweise nicht genau kannte. Oder ob es trotz genauester Prüfung doch ein nicht unbeachtliches Restrisiko geben kann.
Für die Lichfield-Brücke, die bereits Gewichtsbeschränkungen erfahren hat, bedeutet das also, dass die "Tragfähigkeit des Bauwerks", welches seit Jahren weit stärker beansprucht wird als jemals erwartet, also eingeschränkt ist. Wir haben also konkret nochmal mit Bezug zur Lichfield-Brücke nachgefragt.
In Bezug auf eine "Überschreitung der Lebensdauer" erfahren wir, dass es für "Brückenbauwerke ... keine festgeschriebene „Lebenserwartung“." gibt und "in der Ablösungsbeträge-Berechnungsverordnung (ABBV) wird für Ingenieurbauwerke eine Nutzungsdauer angegeben die lediglich von theoretischer Natur ist."
Die theoretische Natur steht leider manchmal mit der praktischen Evidenz im Widerspruch. Für Limburg zeigt sich Hessen Mobil jedoch entspannt. Die Dresdner Ereignisse geben derzeit keinen Anlass dazu das Limburger Bauwerk nochmals gesondert zu untersuchen. "Sofern die Schadensbewertungen der Carolabrücke in Dresden ein bauzeit- und bauartbedingtes Defizit identifizieren, werden in der Regel baugleiche Brücken einer Sonderprüfung unterzogen.", heißt es von Hessen Mobil.
Und zur Sicherheit der Lichfield-Brücke heißt es dezidiert: "Durch eine objektspezifische Nachrechnung mit Messungen am Bauwerk konnte die Restnutzungsdauer der Lichfieldbrücke verlängert werden. Der Ersatzneubau erfolgt vor dem Ablauf Erreichen des Nutzungsendes."
Bleibt also zu hoffen, dass die Ingenieurskunst in Hessen besser funktioniert als anscheinend in Dresden.
Und wenn das Undenkbare passiert?
Sollte das Undenkbare dennoch passieren, dann liegen laut Hessen Mobil Notfall-Pläne in den Schubladen des Landkreises Limburg-Weilburg, der für den Katastrophenschutz zuständig ist und im Unglückfalls die notwendigen Entscheidungen zu treffen hat. Wie diese aussehen, werden wir beim Landkreis anfragen. Im Gegensatz zu anderen Behörden antwortet der Kreis uns bis dato jedoch (noch) nicht auf unsere Presseanfragen. Wir geben aber nicht auf.
Der Zustand der deutschen Infrastruktur war sicher schon einmal besser als heute. Andererseits ist der Sanierungsstau in Hessen auch nicht so groß, dass man aus den Dresdner Vorfällen ein unmittelbares Sicherheitsrisiko für unsere Region ableiten kann. Dennoch schärfen solche Ereignisse das Bewusstsein, für die hohe Bedeutung einer intakten Infrastruktur. Bei einen ungeplanten Ausfall einer Brücke sind nicht nur die Verkehrsadern betroffen, sondern wie in Dresden sogar die Wärmesysteme oder die Wasserversorgung.
Auch wenn die Sanierung der Limburger Lichfield-Brücke in einigen Jahren eine hohe Belastung für die Stadt und ihre Bewohner werden wird, ist eine planmäßige Sanierung im Verhältnis zu einer Katastrophe wie in Dresden ein sehr kleines Übel. Darüber dürften sich wohl die Verantwortlichen auf allen Ebenen im Klaren sein.
* Wie unsere Redaktion erfuhr, war Ricarda Lang, Chefin der Partei Bündnis 90/Grüne, entgegen anderslautender und böswilliger Kommentare im Netz zur Einsturzzeit nicht in Brückennähe.
Kreis Limburg-Weilburg, Limburg, Brückensanierung, Lichfield-Brücke, Hessen Mobil