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Gedenken an Charles Werabe und die soziale Frage

Am 23.10.2024 jährt sich das Gedenken an die Ermordung von Charles Werabe zum zehnten Mal. Der Mann aus Ruanda lebte damals in Limburg in einer Obdachlosenunterkunft und wurde nach einem Streit von drei Männern ermordet. Hierbei spielten rassistische Beweggründe offenbar eine wichtige Rolle. Doch wenn wir uns an diesem Tag an Charles erinnern, sollten wir es uns nicht so einfach machen, und die Tat ausschließlich auf das rassistische Tatmotiv zu reduzieren. Zumal die Täter keineswegs dem rechtsextremen Milieu zugeordnet werden konnten. Die soziale Frage muss bei dieser Tat mitgedacht werden. Und beide Motive haben ihre Implikationen bis zum heutigen Tag.

Lebensweg und Mord

Zum Tatzeitpunkt lebte Werabe in einer Limburger Obdachlosenunterkunft. Wenig weiß man über den Menschen Charles Werabe und seinen Lebensweg. Er hatte als 13jähriger seine Heimat verlassen, um sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Das gelang dem 55jährigen anscheinend nicht und so verschlug es ihn in die Limburger Unterkunft, die damals von der Caritas betrieben wurde. Dort traf er auf seine Mörder, drei Männer im Alter von 22 bis 43 Jahren, die ebenfalls sozial abgestiegen und (szenetypisch) alkoholkrank waren.

Im Streit kam es dann in der Brückengasse vor der Unterkunft zu der Tat - aus niederen, rassistischen Beweggründen, wie es in der Urteilsbegründung hieß. Einer der Angeklagten nahm sich noch in der U-Haft das Leben, die anderen erhielten 10 bzw. 12 Jahre Freiheitsstrafe. Allein seine Alkoholisierung führte dazu, dass der Haupttäter nicht zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde.

Waren es Rechtsextremisten?

Schon kurz nach der Tat, und seitdem mit jedem Gedenken, wird der Mord auf die rassistische Einstellung der Täter zurückgeführt und sodann eine Verbindung zu "Mord durch Rechtsextremisten" gezogen. Durch diese alleinige Fokussierung drängt sich uns der Eindruck auf, dass damit versucht wird, politisches Kapital aus dem Mord an Werabe für den "Kampf gegen rechts" zu ziehen.

Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass die Täter eine abwertende und fremdenfeindliche Einstellung hatten. Doch scheint die eigene soziale Lage eine ebenfalls wichtige Rolle gespielt zu haben. Werabe scheint für die Täter die Funktion eines Sündenbocks gehabt zu haben: ein Mensch, auf den die Täter angesichts ihrer eigenen bescheidenen Lage noch glaubten, herabblicken zu können.

Die Geschichte lehrte uns leider immer wieder, dass Menschen dazu neigen, für ihre eigene Lage und ihre Probleme Schuldige in Anderen zu suchen. Sozialneid und das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, können zu Hass auf Andere (auch Andersdenkende), auf Menschen anderer Hauptfarbe oder sozial besser gestellte Menschen, beitragen. Ist Alkohol im Spiel oder ohnehin eine Gewaltbereitschaft vorhanden, dann kann dieser Sozialneid auch Gewalttaten begünstigen. Und ja, natürlich sind solche Menschen mitunter auch für dumpfe politische Parolen empfänglicher, was extremistische Gruppierungen aller Coleur für ihre Zwecke auszunutzen pflegen.

Die soziale Frage

Zweifellos spielt in einer Gesellschaft das soziale Klima eine wichtige Rolle wenn es um Resentiments und Vorurteile aller Art geht. Relevant für uns heute wird das Gedenken an Charles Werabe, die Sorge vor rassistischen Vorurteilen und die Furcht vor einem Erstarken rechtsextremer Tendenzen deshalb auch dann, wenn wir uns mit der sozialen Frage in der heutigen Zeit beschäftigen.

Ganz aktuell berichtet die Lokalpresse von unhaltbaren Zuständen in einem Altenheim im Landkreis, wo sich kurzerhand die Heimleitung aus dem Staub machte. Versorgungsprobleme in Altenheimen, Altersarmut, ein Gesundheitssystem am Rande des Zusammenbruchs, zunehmend unbezahlbarer Wohnraum - dies ist nur eine kleine Liste der sozialen Schieflagen in unserem Land. Im Gegensatz dazu funktioniert die Versorgung von Flüchtlingen anscheinend tadellos.

Was geht wohl in den Bürgern Deutschlands vor, wenn sie einerseits lesen, dass für Flüchtlinge ganze Stadtteile errichtet oder Hotels akquiriert werden. Für die schon länger hier lebende Bevölkerung andererseits die täglichen Probleme dagegen nicht gelöst sondern eher verschärft werden.

Was denken die Bürger dieses Landes wohl, wenn sie einerseits lesen, dass ein großer Prozentsatz von Menschen, die nach Deutschland migrieren, direkt ins Sozialsystem einwandern. Der arbeitende Teil der Bevölkerung andererseits mit steigenden Sozialabgaben und Steuern konfrontiert ist, so dass der soziale Abstieg von Menschen, die sich einstmals der Mittelschicht angehörig fühlten und stolz darauf waren, für sich selbst zu versorgen, nur noch durch ein immer dichteres Netz von sozialen Hilfen verhindert werden kann.

Natürlich ist es falsch, die Schuld für diese Entwicklung bei den Menschen zu suchen, die hierher kommen. Deren Motivation und Tun ist nur allzu menschlich und nachvollziehbar. Kritiklos hinnehmen muss man dies als Bürger dieses Landes deshalb aber noch nicht.

Es sind diejenigen Kräfte, vor allem aus dem linken politischen Lager, die diese Entwicklung nicht nur nicht stoppen sondern gar weiter forcieren und damit zu einer Verschärfung der sozialen Frage beitragen. Und die es damit natürlich - und wohl auch wissentlich - in Kauf nehmen, dass neue Sündenböcke gesucht werden, gegen die sich früher oder später auch gewaltsamer Zorn richten wird.

Weitere Sündenböcke gesucht

Teile der extremen Linke versuchen "die Reichen" in diese Rolle zu schieben. Denn wenn der Mittelbau einer Gesellschaft verarmt, wenn für immer größere Teile der Gesellschaft keine Prespektive zu sozialem Aufstieg mehr besteht, stechen die zunehmend wenigen, noch wirtschaftlich erfolgreichen Menschen stärker hervor. Die Sucht der Kommunisten, alles zu vergemeinschaften, in dem Irrglauben, eine "klassenlose", ökonomisch eingeebnete Gesellschaft wäre friedlicher und gerechter, hat schon oft großes Unheil über die Menschen gebracht und ist eigentlich schon oft genug gescheitert, dass seine Grundphilosophie längst beerdigt sein sollte. Leider ist dem nicht der Fall.

Auf der anderen Seite der politischen Spektrums glauben extreme Rechte, dass alle Probleme verschwinden würden, wenn es nur eine "homogene Gesellschaft" ohne Migration geben würde. Daraus können gefährliche fremdenfeindliche Tendenzen entstehen, die sich in rassistischer Gewalt niederschlagen können. Auch dieser Irrglaube ist nicht aus der Welt zu kriegen.

Beide Extremhaltungen sind gefährlich und unseres Erachtens nach falsch.

Richtig ist u.E. dagegen, dass jede gesellschaftliche Entwicklung, die zu einer Störung einer (leistungs)gerechten Sozialstruktur führen, letzten Endes zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft und zu Übergriffen auf die von der jeweiligen Gruppe identifizierten Sündenböcke führen kann. Dies hat im linken politischen Lager das BSW ("Bündnis Sahra Wagenknecht") erkannt und nimmt genau aus diesem Grund eine kritische Haltung gegen eine Fortsetzung der aktuellen Politik einer unkontrollierten und das Land zunehmend (politisch und sozial!) destabilisierenden Migration ein. Nicht weil man dort fremdenfeindlich gesinnt wäre, sondern weil man die Bedeutung der sozialen Frage für eine friedliche Gesellschaft erkennt.

Fazit

Es ist gut und richtig, dass wir uns an Charles Werabe erinnern, wie wir uns an jedes Opfer einer Gewalttat erinnern sollten. Wir sollten uns aber auch an jede Seniorin und Senior erinnern, welche von ihrer Rente nicht leben können und z.B. Flaschen sammeln müssen. Oder die in ihrer Seniorenunterkunft unter teils menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen. Wir sollten uns nicht nur fragen, wie wir Migranten unterbringen, sondern wie wir für alle Menschen bezahlbaren Wohnraum sichern. Wir sollten dabei aber auch die zunehmend kleiner werdende Gruppe derjenigen nicht vergessen, die unseren Sozialstaat finanziell tragen und für die es immer schwieriger wird, den eigenen Lebensstandard zu halten.

Ganz zu Ende gedacht führt das Nachdenken über den Zustand unserer Gesellschaft zwangsläufig zu der Kernfrage aller Probleme. Nämlich der Frage, ob unsere Gesellschaft freiheitlich und marktwirtschaftlich besser funktioniert als autokratisch-sozialistisch.

Demo am 23.10.2024 in Limburg

Am Gedenktag findet in Limburg eine Demonstration mit Umzug statt. Überwiegend linke Gruppen, sicher auch aus dem gewerkschaftsnahen Bereich, werden sich daran beteiligen. Es wird interessant sein zu sehen, ob man dort auch die "soziale Frage" als Nährboden für Gewalt in unserem Land thematisiert.

Exkurs: Bewegendes Statement eines Opfer-Vaters

Alle Opfer von Gewalt sind Menschen, keine "Leute". Michael Kyrath ist Vater der in Brokstedt ermordeten Ann-Marie und ihres Freundes Danny.

Limburg, Politik, Gedenken, Rassismus, Charles Werabe