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Wie man Wahlhelfer wird - oder auch nicht. Ein Erfahrungsbericht

Ende November 2024 rief die Stadt Limburg die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sie als Wahlhelfer bei der kommenden Bundestagswahl 2025 zu unterstützen. Unser Autor bewarb sich daraufhin um dieses Ehrenamt. Nachdem er längere Zeit nichts hörte, frage er vor einer Woche nach - und erhielt den Hinweis, dass er leider nicht berücksichtigt werden konnte. Man habe genügend Helfer. Die gute Beteiligung ist für die Stadt selbstverständlich erfreulich. Wir wollten dennoch von den Verantwortlichen wissen, wie solche für unsere Demokratie wichtigen Ehrenämter besetzt werden. Entsprechend baten wir die Stadt Limburg um eine Auskunft. Eine Bericht über ein wichtiges Element unserer Demokratie.

Freie, gleiche und geheime Wahlen

Wahlen sind das wichtigste Mitbestimmungsrecht des Volkes in unserer Republik. Damit diese Wahlen demokratischen Ansprüchen und unserer Verfassung genügen, müssen sie frei, gleich und geheim verlaufen. Dies bezieht sich jedoch nicht nur auf den Wahlvorgang des Souveräns, sondern auf sämtliche Vorgänge in Verbindung mit der Wahl. Jeder einzelne Schritt muss dem Anspruch an freie und gleiche Wahlen genügen.

Die Wahl besteht auch aus vielen vorgelagerten Schritten, zum Beispiel der Zulassung von Parteien und Kandidaten zur Wahl. Auch dieser Prozess folgt sehr strengen Regeln und kleinste Versäumnisse können einen Ausschluss von einer Wahl bedeuten. Ein Wahlleiter hätte hohe Einflussmöglichkeit auf die Wahlen, würde er die Regeln voreingenommen oder willkürlich interpretieren. Deshalb entscheidet er nicht allein sondern in einem Gremium, dem Wahlausschuss. Dieser wird mit Kandidaten besetzt, welche von im (Kommunal)-Parlament vertretenen Parteien vorgeschlagen und vom Gemeinderat, Stadtrat oder Kreistag bestätigt und berufen werden.

Der Wahlvorstand

Eine wenig beachtete Funktion im Wahlprozess ist der Wahlvorstand. Der Wahlvorstand in einer Gemeinde ist ein Gremium, das die Durchführung der Wahl in einem Wahllokal sicherstellt. Er ist verantwortlich für die Organisation, Überwachung und korrekte Durchführung der Wahl sowie für die Auszählung der Stimmen. Der Wahlvorstand wird für jedes Wahllokal separat bestimmt.

Aufgaben des Wahlvorstands

Der Wahlvorstand hat mehrere wichtige Aufgaben:

  • Vorbereitung des Wahltags:
    Kontrolle und Einrichtung des Wahllokals.
    Bereitstellung der Wahlunterlagen, Stimmzettel und Wahlkabinen.
  • Leitung der Wahlhandlung:
    Überwachung des Wahlablaufs im Wahllokal.
    Prüfung der Wahlberechtigung der Wähler anhand des Wählerverzeichnisses.
    Ausgabe der Stimmzettel.
  • Auszählung der Stimmen:
    Öffnung der Wahlurne nach Ende der Wahlzeit.
    Ordnungsgemäße Auszählung der Stimmen und Erstellung einer Niederschrift.
  • Weiterleitung der Ergebnisse:
    Übermittlung des Wahlergebnisses an die zuständige Wahlbehörde.

Zusammensetzung des Wahlvorstands

Ein Wahlvorstand besteht in der Regel aus dem Wahlvorsteher (er leitet den Wahlvorstand und trägt die Verantwortung für die Einhaltung der Wahlordnung), einem Stellvertreter (dieser übernimmt die Aufgaben des Wahlvorstehers bei dessen Abwesenheit), Schriftführer und Beisitzer. Diese unterstützen den Wahlvorsteher bei der Organisation und Durchführung der Wahl. Die Anzahl der Beisitzer variiert je nach Größe des Wahllokals. Insgesamt umfasst ein Wahlvorstand in der Regel 5 bis 9 Mitglieder.

In Anbetracht der Tatsache, dass ein Wahlvorstand während der ganze Wahl, also grob von 7.30 Uhr bis nach der Auszählung (20 Uhr oder später) anwesend sein muss, arbeitet der Wahlvorstand in zwei Schichten. Wir gehen deshalb davon aus, dass eher neun statt fünf Personen je Wahlvorstand einzuplanen sind.

In Limburg sind laut Auskunft der Stadt Limburg 28 Wahlvorstände zu besetzen. 14 Wahlraumvorstände und 14 Briefwahlvorstände. Dies bedeutet, dass man seitens der Stadt Limburg für die Wahldurchführung 154 "externe" Helfer und 42 städtische Wahlhelfer benötigt. Eine beachtliche Zahl. Da die Regeln zur Besetzung eines Wahlvorstandes zudem vorsehen, dass Personen, die selbst kandidieren oder enge Verbindungen zu Kandidaten haben, nicht Mitglied sein dürfen, ist es erfreulich und überraschend, dass so viele Menschen sich hier ehrenamtlich engagieren.

Wie die Berufung zum Wahlvorstand (in Limburg) abläuft

Unser Autor ahnte schon, dass sehr viele Menschen für den Wahltag benötigt werden, als er sich für das Ehrenamt meldete. Deshalb war er auch erstaunt, dass auf seine Mitarbeit verzichtet werden konnte. Obwohl er sich bereits Anfang Dezember meldete erfuhr er erst auf explizite Nachfrage und auch erst Anfang Januar, dass er nicht benötigt würde. In der Rückmeldung durch die Stadt scheint dabei etwas schiefgelaufen zu sein. Denn auf unsere Nachfrage zum Berufungsprozess erklärt uns Pressesprecherin Stefanie Kesper-Süß, dass bereits "Mitte Dezember, im Nachgang der Vertrauensfrage, für alle Positionen Berufungsschreiben verschickt worden" seien. "Den noch nicht berufenen Bürgern wurde per E-Mail für die Bereitschaft gedankt, auch mit dem Hinweis, dass bei Ausfällen ggf. noch kurzfristige Berufungen erforderlich werden", so Kesper-Süß weiter. Das war im Falle unseres Autors definitiv nicht Fall.

Fakt ist, dass von den 154 Wahlhelfenden immerhin 39 erstmalig im Einsatz sind, 115 gelten als "erfahrene Wahlhelfer". Nähere Angaben, wie die Auswahl genau erfolgte, ob man nach Eingang der Bewerbungen, nach Zufallsschlüssel oder nach "sonstigen" Kriterien entschieden hat, wollte uns die Stadt Limburg auf Anfrage nicht mitteilen. Es scheint aber so zu sein, dass man seitens der Stadt Limburg sehr wohl Leute im Blick hatte, die man aktiv angefragt hat.

Als Bürger würde man sich wünschen, dass dieser Prozess transparenter ist. Denn ein Wahlvorstand zählt die Stimmen aus und hat für eine freie, gleiche und geheime Wahl zu sorgen. Erbhöfe, Parteinähe oder sonstige "Gewohnheiten" könnten ein Risiko für diese Prozess darstellen.

Durch unsere eigenen Recherchen konnten wir Folgendes zum grundsätzlichen Ablauf der Bestimmung eines Wahlvorstandes folgendes in Erfahrung bringen:

Die Mitglieder des Wahlvorstands werden wie folgt bestimmt:

  1. Ernennung durch die Wahlbehörde:
    • Die Gemeinde- oder Stadtverwaltung beruft die Mitglieder des Wahlvorstands.
    • Wahlberechtigte Bürger können sich freiwillig für den Dienst im Wahlvorstand melden.
    • Parteien und Wählergruppen haben das Recht, Personen für den Wahlvorstand vorzuschlagen.
  2. Kriterien für die Auswahl:
    • Die Mitglieder müssen wahlberechtigt sein (bei Kommunalwahlen abhängig vom Bundesland auch EU-Bürger).
    • Personen, die selbst kandidieren oder enge Verbindungen zu Kandidaten haben, dürfen nicht Mitglied sein.
  3. Ehrenamtliche Tätigkeit:
    • Der Dienst im Wahlvorstand ist in der Regel ehrenamtlich.
    • Die Mitglieder erhalten eine Aufwandsentschädigung, deren Höhe von der jeweiligen Kommune festgelegt wird.

Neben dem, dass sich Bürger freiwillig melden, können Mitglieder auch von Parteien und Wahlgruppierungen vorgeschlagen werden. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Wahlvorstand jedoch eine Distanz zu den Kandidaten aufweisen muss, ist dies nicht ganz unproblematisch. Außerhalb von Kommunalwahlen wählen die meisten Menschen eher Parteien und weniger Kandidaten. Die Listenstimmen sind außerhalb von Kommunalwahlen wichtiger als die Erststimmen.

Man sollte also meinen, dass vor allem Menschen ohne jeglichen Bezug zu Kandidaten und Parteien "erste Wahl" für die Besetzung eines Wahlvorstandes sind. Laut Auskunft der Stadt Limburg "kennen die zuständigen Mitarbeiter oder der Wahlleiter viele Personen nicht und haben somit auch keine Kenntnis über deren parteipolitische Zugehörigkeit. Selbst wenn sie bekannt ist, wird sie im Auswahlprozess nicht beachtet". Das kann man glauben oder auch nicht. Wir halten es für einigermaßen weltfremd in einer Kleinstadt.

Eine Frage der Vielfalt

Vielfalt und Diversität sind viel benutzte Schlagwörter unserer Zeit. Demokratisch, fair und gleich, wäre es, wenn (auch) Wahlvorstände auf transparente Weise besetzt würden. Zugegebenermaßen ist es zweckmäßig, vor allem für die Funktionen von Wahlvorsteher, seiner Stellvertretung und von Schriftführerin bzw. Schriftführer, wenn möglich auf erfahrene Helfer zurückzugreifen. Zwar werden alle Helfenden von der Stadt geschult, aber bei einer Wahl darf und soll nichts schiefgehen. Je nach Position wird die Erfahrung der Helfer laut Auskunft der Stadt Limburg auch bei der Berufung berücksichtigt.

Jeder, der schon in Vereinen und Verbänden tätig war, weiß, dass man geneigt ist, ein erfolgreiches Team nicht zu wechseln ("never change a winning team"). Doch im Falle eines Wahlvorstandes kann dies kritisch sein. Wenn immer wieder die gleichen Personen gemeinsam im Wahllokal sitzen, sich gut kennen und schätzen, sich gegenseitig vertrauen, vielleicht noch den gleichen "Stallgeruch" haben, dann könnten sich "Abweichungen vom Protokoll" einschleichen, könnten "Zählfehler" wahrscheinlicher werden.

Je weniger Fluktuation ein solches Gremium aufweist und je höher der Anteil an Menschen ist, die von den Parteien vorgeschlagen werden, desto höher kann tendenziell das Risiko sein, dass es zu einer Störung der "freien, gleichen und geheimen Wahl" kommen kann. Umgekehrt gilt natürlich auch, dass es ganz ohne Kontinuität in diesem Bereich für die Gemeinden schwierig sein könnte, die Wahlen ordnungsgemäß durchzuführen.

Die Frage, wie also die Wahlvorstände in unseren Gemeinden bestimmt werden, ist deshalb keineswegs trivial und irrelevant. Demokratie findet auch in diesen, weithin wenig beachteten Gremien statt - oder auch nicht.

Was lernen wir?

Wir danken der Stadt Limburg für ihre Auskünfte. Wahlen sind wichtig und auch jeder Teilschritt im Wahlvorgang erfordert unsere demokratische Teilhabe und ehrenamtliches Engagement. Gerne hätte unser Autor den Prozess der Wahl aus nächster Nähe, als aktiv Beteiligter, kennengelernt und darüber berichtet. Er steht zumindest auf der Liste der Nachrücker, falls doch noch jemand ausfällt und ersetzt werden muss. Ansonsten bleibt es jedem Wähler unbenommen, sich als Wahlbeobachter am Wahltag durchgängig im Wahlraum aufzuhalten und den Auszählprozess zu beobachten. Er darf dabei die Wahl nicht behindern oder anderweitig stören. Ihm muss es aber gestattet sein, jeden einzelnen Vorgang im Wahlraum zu beobachten. Vielleicht fängt unser Autor als Wahlbeobachter "klein an".

Bildmaterial

Copyright Stadt Limburg (aus 2018)

Limburg, Politik, Dr. Marius Hahn, Wahlen, Wahlrecht