Bayerisches Allerlei
Im Bayerischen Rundfunk gab es gestern mal wieder eine Perle der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung. Unter dem Titel "Münchner Runde - Bußgeld, Masken, Quarantäne: Raubt Corona uns die Freiheit?" diskutierten fünf Gäste, darunter Querdenker-Anwalt Markus Haintz, über die aktuellen Corona-Maßnahmen. Was eine ausgewogene, interessante Diskussion hätte werden können, geriet mal wieder zur Zeitverschwendung.
Dass diese Diskussion wenig dazu beigetragen hat, zu erhellen, ob die derzeitigen Corona-Maßnahmen angemessen oder nicht angemessen sind, lag vor allem am fünften Gast, der ursprünglich gar nicht auf der Einladungsliste stand: der Journalist und angebliche Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer. Nach jedem Statement von Markus Haintz durfte Sundermeyer seine Tiraden in Richtung Querdenken / Demonstranten schleudern und wild alle möglichen Thesen, natürlich unbelegt, absondern.
Sundermeyer war am 29.08.2020 in der Tat auf der Demo in Berlin, ich habe ihn selbst gesehen - und meine Begleitung gleich darauf aufmerksam gemacht, dass es wohl wieder einen üblen Bericht über die Demo geben werde. Denn Olaf S. macht meist keine langen Umschweife. So auch gestern, als gleich sein Eingangsstatement klar machte: in Berlin waren alles Rechtsextreme, moderate Töne wie von Markus Haintz sind nur Fassade und tausende Nazis haben die Bewegung unterwandert. In diese "Beurteilung" hat dann Bayerns Innenminister Herrmann sogleich mit eingestimmt. Aber stimmt das so?
Meine eigenen Erfahrungen habe ich in einem Blog ja bereits geschildert. Als Augenzeuge dieser Demo sowie inzwischen mehrmaliger Teilnehmer anderer Querdenken-Veranstaltungen kann ich diesen Eindruck nicht teilen, ich muss ihm aus vollem Herzen widersprechen. Niemand bestreitet, dass es in Berlin auch sog. Reichsbürger und evtl. auch Rechtsextreme gab. Aber diese waren nicht auf den Querdenken-Veranstaltungen sondern hatten eigene Veranstaltungen angemeldet. Der "Sturm auf den Reichstag" ist von einer Bühne vor dem Reichstag ausgegangen - und die zugehörige Demonstration war keine Querdenken-Demo und auch überraschenderweise nicht vom Berliner Innensenator verboten.
Das erwähnen natürlich weder Sundermeyer oder Herrmann mit nur einem Wort. Vielleicht sollten beide Herren mal die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke" zur Kenntnis nehmen, welche meines Erachtens sehr korrekte Antworten auf die Frage gibt, ob bei der Querdenken-Demo in Berlin Rechtsextreme am Werk waren oder die Bewegung "von rechts unterwandert" sei. Hier einige wichtige Aussagen:
- "Es liegen der Bundesregierung allerdings Hinweise vor, dass sich Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum an von nichtextremistischen Organisationen veranstalteten Kundgebungen gegen die Corona-Beschränkungsmaßnahmen beteiligt haben. Dies erfolgte jedoch, bezogen auf die Gesamtzahl der Teilnehmer, in geringem Umfang. Eine maßgebliche Beeinflussung oder Prägung dieser Veranstaltungen war nicht gegeben."
- "Ein prägender Einfluss auf die Kritiker der staatlichen Pandemie-Eindämmungsmaßnahmen oder deren Demonstrationen konnte nicht festgestellt werden."
- "Auch die im Nachgang zu derartigen Kundgebungen zu beobachtenden Versuche, diese Versammlungen propagandistisch für sich zu vereinnahmen, fanden keine erkennbare Resonanz. Insofern resultierte aus den Kundgebungen für die rechtsextremistische Szene bislang keine nennenswerte Anschlussfähigkeit an demokratische Kundgebungsteilnehmer."
- "Die in der Beantwortung der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/20774 getroffene Einschätzung hat nicht mehr Bestand. Insgesamt hatten das Versammlungsgeschehen sowie die damit einhergehenden Straftaten der Politisch Motivierten Kriminalität ‑rechts‑ (PMK-rechts) deutlich abgenommen und es war festzustellen, dass eine strukturierte Teilnahme der rechten Szene an den von demokratischen Akteuren organisierten Kundgebungen nicht erkennbar war."
Herr Sundermeyer könnte seiner journalistischen Berufsehre nachkommen, indem er die Berliner Innenbehörde einmal intensiv dazu befragt, wie es sein kann, dass innerhalb der Bannmeile eine rechtsgerichtete Demo stattfinden konnte, Abstands und Hygieneregeln nicht beachtet wurden, Agitationen gegen den Reichstag vorgenommen werden konnten - und trotzdem die Polizei tatenlos zusah, wie die Reichstags-Treppe "gestürmt" werden konnte. Doch dazu wird es nicht kommen, da der Journalist Sundermeyer lieber haltlose Vorwürfe vornimmt und politisch agitiert.
Vielleicht reizt es Dich jetzt, das Video anzuschauen. Bitte sehr:
Weitere "lessons learned"
- Die Zitate aus dem Einspieler bei Minute 22 sind "wunderbar" aus dem Kontext gerissen. Denn der Vergleich der Polizei zu den 20er / 30er Jahre, den Markus Haintz vorgenommen hat, steht im Kontext mit der massiven Polizeigewalt vom 30. August 2020 und dem verlorenen Rechtsstreit über die Durchführung des Querdenken-Camps vor dem Bundesverfassungsgerichtes. Art. 146 GG stellt dem deutschen Volk das Recht frei, sich eine neue Verfassung zu geben, so es das Volk will. Die Forderung, den Art. 146 aus dem GG zu erfüllen, gab es bereits vor 30 Jahren im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung. Wie man daraus einen verfassungsfeindlichen Akt konstruieren kann, zeigt die Geschichts- und Verfassungsvergessenheit der Medien und der Politik.
- Markus Haintz wurde von dem Eventveranstalter Hellwig unterstützt. Dieser bemängelte, dass sich Bürger kaum mit ihrem Protest bemerkbar machen könnten, da die Demonstrationsmöglichkeiten eingeschränkt seien. Sundermeyer verwies daraufhin auf die Demo des Schaustellergewerbes, welche vor einigen Tagen durchgeführt wurde. Die war ganz nach dem Geschmack der Regierung, denn sowohl die Maskenpflicht wurde vorbildlich eingehalten und man forderte nur Geld. Leute wie Herr Hellwig, die keine Almosen wollen sondern ihr Business betreiben, kommen in der Welt eines Herrn Sundermeyer oder Herrn Herrmann nicht vor.
- Ein besondere Rolle nahm die Ärztin Jordis Frommhold ein, Chefärztin der Median-Klinik Heiligendamm. Diese hat gleich zu Beginn neue Ängste geschürt, indem sie die verheerenden Langfristschäden betonte, die Covid-19 verursachen würde. Selbst Leute, die nie in einer Klinik waren, können schlimme Einschränkungen haben. Warum diese dann in einer Reha auftauchen, obwohl die vorher nicht so recht in Behandlung waren, bleibt dabei im Dunkeln. Frau Frommhold scheint ein besonderes Verhältnis, um nicht zu sagen "innige Liebe" mit der Maske zu haben, denn sie steckt sogar COPD-Patienten, also Menschen mit erheblicher Lungenfunktionseinschränkung, unter eine Maske - wenn diese sich nicht beschweren. Wenn man weiß, wie eingeschüchtert Menschen derzeit generell aufgrund der Corona-Angst sind, ist nicht davon auszugehen, dass sie sich gegen die "Anordnungen" und "Befehle" dieser Ärztin auflehnen werden.
Für überzeugte Querdenken war der gestrige Abend sich eine echte Zumutung. Denn zur Erhellung der Frage, ob die aktuell von der Politik verhängten Maßnahmen sinnvoll, unsinnig, rechtmäßig oder rechtswidrig sind, hat die Sendung leider nichts beigetragen. Der Zuschauer hat stattdessen gelernt, dass Querdenker rechts seien, der Bürger mit seinen Anliegen nicht zur Politik durchdringen kann und mit den Langfristfolgen ein neues Angstthema gefunden wurde, um weiter sämtliche Widersprüche in der Corona-Politik weiter zu kaschieren.
Die Querdenker sollten aus der gestrigen Sendung, sowie den vorhergehenden Interviews im ÖRR von Michael Ballweg oder dem wenig überzeugenden Auftritt von Prof. Bhakdi im Corona-Quartett von Servus TV, noch weitere Lehren ziehen: Erstens brauchen die Vorturner dringend ein Medientraining und sollten sich auf die Hauptkontrahenten der Sendung vorbereiten. Wie ein Herr Sundermeyer arbeitet, weiß man vorher. Und zweitens sollten sie endlich in den Agriffsmodus übergehen. Haintz, Ballweg und Bhakdi sind allesamt höfliche Menschen. Diese treffen aber auf Medienprofis, die ihnen massiv schaden wollen. Da sollte man auch mal anderen selbst energisch ins Wort fallen, wenn diese Müll erzählen. Oder den Gesprächsfokus durch einen massiven Angriff auf einen Mitdiskutanten lenken. Haintz hätte sich gut mit Helwig verbünden können, um der Politik mal Kontra zu geben. Doch das muss man trainieren, um in der Hitze des Gefechts die entscheidende Schlagfertigkeit zu zeigen.
Erste Sendung des Corona-Quartetts