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Nachlese: "Audiatur et altera pars"

"Höre auch die andere Seite" lautet ein Rechtsgrundsatz unseres Rechtssystems. Wenn man die Berichterstattung in der NNP zu meiner Gerichtsverhandlung am 24.01.2024 verfolgt, wenn man die Leserbriefe liest, die dazu verfasst wurden und wenn man die Reaktionen des einen oder anderen Politikers darauf Revue passieren lässt, dann erschreckt es, dass dieser simple Grundsatz, vor einem "Urteil" auch die Gegenseite anzuhören, offenbar außerhalb der Gewohnheiten so mancher Zeitgenossen liegt. Mit diesem Artikel möchte ich einen Abriss meiner Verhandlung geben, den einen oder anderen Beweis vorlegen, meine Eindrücke schildern und so dazu beitragen, dass nicht nur eine Seite bekannt ist. Sondern auch die andere.

Die Vorwürfe

Nach mehr als zweijähriger Wartezeit kam es am 24.01.2024 vor dem Amtsgericht Limburg endlich zu einer Verhandlung dreier gegen mich erlassener Strafbefehle. Gegen alle drei Strafbefehle hatte ich zuvor Widerspruch eingelegt. Einige Details zur Vorgeschichte habe ich bereits hier dargelegt, andere interessante Details spare ich mir für eine ausführliche Aufarbeitung auf, zum Beispiel das bemerkenswerte "befangene Verhalten" eines Amtsrichters in Limburg.

Im Einzelnen wurden folgende Beschuldigungen erhoben:

  1. Zu wenig Ordner bei der Kinderdemo am 07.03.2021 in Limburg
  2. Karussellfahren mit Familie, Kindern und Freunden am 29.11.2021 in Limburg
  3. Mutmaßliche Beleidigung der Bürgermeister von Bad Camberg und Limburg

Die Verhandlung

Verhandelt wurde vor dem Amtsgericht Limburg unter Vorsitz der Richterin H., welche die Verfahren von ihrer leider erkrankten Vorgängerin, Richterin L., "geerbt" hatte. Auch bei der Staatsanwaltschaft gab es einen Wechsel, nachdem Oberstaatsanwalt Dominik Mies zum 31.12.2023 nach Frankfurt wechselte. Die Verfahren wurden von der Staatsanwältin Pawlik übernommen.

Schon früh zeitigte sich, nachdem der erste Termin am 17.01.2023 erneut witterungsbedingt ausgefallen war und damit das Zeitbudget von insgesamt drei Verhandlungstagen zusammengestaucht war, dass ein hohes Interesse sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch der Vorsitzenden bestand, die Verfahren zügig zu beenden.

Die Beweisaufnahme

Den Einstieg in die Verhandlung bildeten umfangreiche Einlassungen durch meine Person zu den mir vorgeworfenen Sachverhalten. Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich diese Einlassungen auch noch veröffentlichen, jedoch müssen diese noch in einzelnen Passagen zuvor anonymisiert werden, um keine Unbeteiligten irgendwelchen Anfeindungen auszusetzen. In aller Kürze skizziere ich hier, warum die einzelnen Anklagepunkte ziemlich zügig vom Gericht "abgeräumt" und damit einer lange überfälligen Einstellung des Verfahrens der Weg bereitet wurde.

Zu wenige Ordner auf der Kinder-Demo

Kern des Vorwurfes ist eine Auflagenverfügung der Stadt Limburg, wonach ich als Versammlungsleiter 1 Ordner je 10 Demo-Teilnehmer zu verpflichten hatte. Weder konnte ein Beweis geführt werden, wie viele Personen zu einem konkreten Zeitpunkt auf dem "Neumarkt" Teilnehmer der Versammlung waren, noch wurde nachvollziehbar ermittelt, wie viele Ordner konkret im Einsatz waren. Der Neumarkt ist ein belebter Platz mit Publikumsverkehr. Nachfolgend ein Demo-Eindruck (ob der Bürgermeister Dr. Hahn, der an dem Tag ebenfalls vor Ort war um Kuchen oder Eis zu kaufen, Demoteilnehmer war, kann wohl niemand so genau sagen):

Abgesehen von einer nach drei Jahren nicht mehr zu klärenden Beweislage erscheint die Ordner-Auflage auch unverhältnismäßig. Denn der Platz war an dem Tag voll mit Polizisten, die öffentliche Sicherheit also bestens gewährleistet.

Es verwundert deshalb nicht, dass man sich seitens des Gerichtes hier eine weitere Beweisaufnahme sparte - und den Tatvorwurf einstellte.

Freizeitvergnügen "Karussellfahren"

Lies hierzu bitte auch meine ausführliche Einlassung (folgt). Denn dieser Tatvorwurf ist wirklich bemerkenswert. Durften Ungeimpfte überhaupt noch etwas unternehmen? Warum wurden wir von Zivilfahndern, die sich im Dunkeln aufhielten, bespitzelt? Was genau ist an der Pippi Langstrumpf-Melodie so gefährlich? Jedenfalls hatte weder die Musik noch die private Freizeitveranstaltung etwas mit Corona-Protest oder sonstigen "gefährlichen Umtrieben" zu tun. Die Polizei und die dahinterstehende Limburger Ordnungsmacht haben einfach in dieser Zeit völlig "am Rad gedreht". Auch hier ein Eindruck dieser "höchstgefährlichen" Veranstaltung:

Nachdem sich die inzwischen 82jährige Betreiberin des Karussells so gut wie nicht mehr an Details dieses Abends erinnern konnte, war auch dieser Vorwurf einzustellen. Zu bedenken gebe ich allerdings, wie man diese Frau behandelt hat, in dem man sie insgesamt vier Mal zur Verhandlung lud, und seitens der Polizei am fraglichen Abend mit der Drohung, eine Anzeige erstatten zu wollen, durchaus in Angst und Schrecken versetzte. Denn für die Schaustellerin, während Corona ohnehin nicht auf Rosen gebettet, erwuchs daraus eine existenzielle Gefahr. Niemand hat sich bei der Dame seitens Polizei, Verwaltung oder Staatsanwaltschaft für den überzogenen Ermittlungseifer entschuldigt.

Die "Beleidigung" der Bürgermeister Dr. Hahn und Vogel

Das ich am 14.02.2022 in Bad Camberg auf einer Kundgebung, das unschöne Wort eines Borstentieres in Richtung der Bürgermeister ausgesprochen habe, ist unstrittig. Die gesamte Rede ist hier zu sehen:

 

Entscheidend ist in solchen Fällen, vor allem mit politischem Hintergrund, der Kontext, in dem die Äußerung erfolgt. So müssen sich Politiker im Meinungskampf einiges mehr gefallen lassen, vor allem wenn sie in ihrer Amtsführung kritisiert werden. Dies muss man nicht gut finden und ich selbst tue es auch nicht. Deshalb habe mich auch für meine Wortwahl bei beiden Herren entschuldigt. Strafbar oder ein Schuldeingeständnis ist dies deshalb aber noch lange nicht.

Hinzu kommt, dass mir m.E. durchaus das Recht "auf einen Gegenschlag" zugestanden hat, da die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister des Landkreises Limburg-Weilburg ihrerseits in einem gemeinsamen Statement den "Spaziergängern" und "Corona-Maßnahmenkritikern" pauschal vor, rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten, zu Gewalt aufzurufen oder diese zu dulden. Diesen Vorwurf zu erheben, zumal noch in pauschaler Form, ist selbst ein Tatbestand der üblen Nachrede, Beleidgung bzw. gar der Volksverhetzung. Hierfür haben sich die Verfasser des Statements ihrerseits nie entschuldigt. Meines Erachtens wäre dies aber überfällig, wenn es diesen Herrschaften tatsächlich um eine Befriedung unserer Gesellschaft gehen würde.

Ein weiterer Aspekt ist, dass es auch um Gleichheit vor dem Gesetz geht. Denn ich selbst wurde von Limburger Aktivisten des Bündnis Courage mit der Frage auf einem Flyer konfrontiert, ob ich "ein (Neo)-Nazi" sei (Freispruch der Beleidiger durch das AG Limburg). Die gleichen Herrschaften legten nochmals ach und titulierten mich in einem weiteren Flyer als "Holocaust-Verharmloser und Covidiot". Hier wurde seitens der Staatsanwaltschaft Limburg wegen "geringer Schuld und fehlendem öffentlichen Interesse" eingestellt.

Ein Mann der Kirche aus Hannover, der mich nicht persönlich kennt, nahm einen verleumderischen Artikel des Mika Beuster zum Anlass mich als einen "antisemitischen Drecksack und garantiert kein Experte für irgendwas" zu beleidigen. Das Verfahren wurde vom Amtsgericht Hannover gegen eine kleine Geldauflage eingestellt.

Wie kann man mich für einen ersten und einmaligen Fauxpas, ein einziges tierisches Wort, welches ich in drei sehr aktiven Jahren Corona-Protest gesagt habe, ernsthaft belangen wollen, ohne dass sich Gericht und / oder Staatsanwaltschaft dem Verdacht einer Gesinnungsjustiz aussetzen würden?

Es verwundert demnach nicht, sondern ist m.E. geradezu eine zwingende Konsequenz, dass auch dieser Vorwurf gegen mich letztlich einzustellen war.

Das "Pareto-Optimum"

Die Entscheidung des Gerichts lautete demnach: "Einstellung aller Verfahren, die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse". Ich bezeichne diese Entscheidung als Pareto-Optimum, da ich 80% dessen erreicht habe, was möglich war, mit 20% des Aufwandes der unter Umständen erforderlich gewesen wäre, um 100% zu erreichen, nämlich einen Freispruch.

Meines Erachtens wären Freisprüche in allen Anklagepunkten zu erzielen gewesen. Denn die ersten beiden Punkten scheiterten schon an der Beweisführung einer Schuld. Zudem hätte ich viel Entlastendes aufzuführen gehabt. Der dritte Tatvorwurf konnte eigentlich ebenso nur zu Gunsten der Meinungsfreiheit entschieden werden. Zu viele vergleichbare Fälle wurden bereits zu Gunsten der Beschuldigten, zuletzt in Sachen Robert Habeck, entschieden. Es hätte aber ein langer Weg durch die Instanzen werden können und dies hätte nicht nur Geld gekostet, sondern wäre auch mit großen mentalen Belastungen für mich verbunden gewesen. Ob in einigen Jahren sich noch jemand für "meinen Freispruch" interessiert hätte, ist fraglich.

Die Einstellung der Verfahren beendete diese Farce, ich kann es nur so nennen, ohne eine finanzielle Belastung meiner Person, ohne weitere Zeugenbelastung und vor allem ohne die Möglichkeit für eine Seite, noch Rechtsmittel einzulegen. Dies wurde nämlich im August 2022 von Oberstaatsanwalt Mies angedroht, sollte ich Freisprüche erzielen.

Eine Einstellung bedeutet normalerweise keinen Schuldmakel. Eine solche EInstellung hätte m.E. seitens der Staatsanwaltschaft schon 2022 erfolgen müssen, als meine Person noch nicht an die Öffentlichkeit gezerrt war. Leider hat die Staatsanwaltschaft im August 2022 große Öffentlichkeit bis hin zu Bild-Zeitung hergestellt. In mehreren Artikeln der (Lokal)-Presse wurde ich bereits als schuldig vorverurteilt. Der Schuldmakel war also schon längst in der Welt.

Diesen Schuldmakel hätte ich nur durch einen Freispruch etwas korrigieren können, doch bin ich sicher, dass die "lokale Weltpresse" mich immer irgendwie hätten schlecht aussehen lassen. Und deshalb verwundert es auch nicht, dass der Artikel über die Verhandlung am 24.01.2024 so viel "Ungünstiges" über meine Person zusammengetragen hat, wie noch möglich. Von meinen Argumenten ist nichts zu lesen, ebenso wenig von meinen umfassenden Einlassungen.

Entscheidende Fragen aber, nämlich wie hoch der Schaden für den Steuerzahler nun geworden ist, warum man eine 82jährige Frau so sehr mit dem Verfahren belastete oder warum die Bürgermeister meine Entschuldigung nicht angenommen haben, geschweige denn, dass sie sich selbst für ihr völlig überzogenes Statement entschuldigt hätten - alles das blieb unbeleuchtet.

"Audiatur et altera pars" - die andere Seite wurde nicht gehört und auch nicht durch die Zeitung abgebildet. Auch zwei Leserbriefe von mir, zu dem Artikel bzw. anderen Leserbriefen, die ein anderes Bild zeichnen würden, wurden von der NNP nicht abgedruckt. Eine abgrundtiefe Abneigung gegen meine Person rechtfertigt offenbar die dauernde Verletzung journalistischer Ethik und eine objektive Berichterstattung.

Die Reaktionen

Von drei Leserbriefen auf die NNP-Berichterstattung habe ich Kenntnis erlangt. Diese sprechen in Anbetracht meiner vorstehenden Ausführungen für sich. Traurig ist, dass Menschen mit offensichtlich laienhaftem Rechtsverstädnis und ohne Kenntnis der Akte oder gar persönlicher Anwesenheit in der Verhandlung in ihrem Urteil schnell und vernichtend argumentieren.

An die juristischen Laienschar, die sich obenstehend äußerten: §188 StGB ist hier gar nicht einschlägig, da die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.

Feedback eines Politikers

Eine etwas größere Beachtung möchte ich den Worten eines Politikers aus dem Kreistag des Landkreises Limburg-Weilburg schenken. Es ist kein unbekannter und auch kein unbedeutender Politiker. Deshalb schockiert mich sehr, wie der Dialog mit diesem Herrn ablief. Er schrieb:

"Sehr geehrter Herr Hübner, in der Zeitung habe ich gelesen, dass ein Herr Manfred H. Bürgermeister, u. a. Dr. Marius Hahn, als feige Sau beleidigt hat. Ich nehme an, dass Sie dieser Manfred H. sind. An dem Urteil, Einstellung in allen Punkten, sieht man, wie es um unseren Staat steht. Feige Sau hatte ich für Menschen auf den Lippen, die zum Beispiel mit mehreren Männern eine Frau vergewaltigt oder kleine Kinder verprügelt oder gar getötet haben. Wenn Ihnen das tatsächlich leid tut, steht es Ihnen frei, zum Beispiel 5000.- € an den Weißen Ring oder das Frauenhaus zu spenden. Ich stehe Politikern auch oftmals kritisch gegenüber. Feige Sau oder gar tätliche Angriffe verbieten sich schon allein deshalb, weil sich dann irgendwann niemand mehr in den Dienst der Sache stellt. Es grüßt Sie ein enttäuschter xxx" (Hervorhebungen durch den Autor)

Wie kommt dieser Mann darauf, meinen Fall mit "tätlichen Angriffe" in Verbindung zu bringen? Wie kommt er zu Assoziationen meiner Person mit "Gruppenvergewaltigern" oder "Kinderschändern"?

Ich wies den Herrn darauf hin, dass ich seine Worte in Anbetracht der Tatsache, dass er weder Akte noch Verhandlungsverlauf kenne, für eine Anmaßung sondersgleichen halte. Darauf meinte er, er gehöre "nicht zu den Menschen, die alles verkomplizieren". Soso, so nennt man es, wenn man andere Menschen aufgrund völliger Ahnungslosigkeit verurteilt und sie beleidigt.

Was ist nur mit uns allen los? Was ist nur mit unserer politischen Klasse los, die Kritik für Majestätsbeleidigung hält und selbstbewusste Bürger für "rechtsextreme Störenfriede". Die von Bürgern gehorsam verlangt, statt diese Bürger anzuhören, sie ernst zu nehmen und ihre Anliegen zu vertreten. Die Minderheitenrechte und -positionen zumindest achtet und in die eigenen Überlegungen einbezieht. Die Kompromisse sucht, die versöhnt statt zu spalten. Nichts davon scheint mehr vorhanden.

Kalt wie Eis

In besonderer Weise möchte ich das Verhalten der Bürgermeister, vor allem das von Dr. Hahn, erwähnen, der am 24.01.2024 als Zeuge geladen war. Ich finde es sehr bedauerlich, nein, es macht mich traurig, dass für die Menschen, die sich in der Corona-Zeit durch die Maßnahmen bedrängt fühlten, die zu einer Impfung genötigt werden sollten und denen man in vielfacher Weise durch Grundrechtseinschränkungen, durch Ausgrenzung und Diffamierung, schwere soziale und psychische Belastungen auferlegte, dass für diese Menschen bei Dr. Hahn im Besonderen, aber auch beim ehemaligen Bad Camberger Bürgermeister Vogel und - wie die Reaktionen auf das Verfahren - zeigen, offenbar auch in weiten Teilen der Gesellschaft, nach wie vor wenig Empathie und Einfühlungsvermögen besteht.

Jens Spahn, CDU-Politiker und ehem. Bundesgesundheitsminister, sagte bereits im Frühjahr 2020, dass wir uns am Ende der Pandemie gegenseitig einiges verzeihen müssten. Meine Bitte um Verzeihung habe ich geäußert. Die Gegenseite bleibt "hart wir Stein" und "kalt wie Eis". Zu keinem Zeitpunkt ist bis heute ein Entgegenkommen, von einer echten Aufarbeitung gar nicht zu reden, zu spüren. Die Wunden und Verletzungen sind jedoch real und die Narben unübersehbar. Wir verlangen deshalb auch weiterhin Aufklärung, Aufarbeitung und eine Übernahme von Verantwortung durch diejenigen, welche die inzwischen größtenteils als unwirksam, unnötig oder unverhältnismäßig erkannten Corona-Maßnahmen beschlossen und / oder durchsetzten.

Dr. Hahn gab uns anlässlich einer Rede am 20.01.2024 vor dem Limburger Dom Einblick in seinen Musikgeschmack. Auch ich möchte dies tun, in dem ich ihm eines meiner Lieblingslieder aus fast der gleichen Zeit wie das von ihm erwähnte Lied empfehlen möchte.

 

Kein Einzelfall

Das, was mir passierte, ist wahrlich kein Einzelfall. Es gab noch viel krasserer Beispiele von völlig überzogenem Justizgebaren in der Corona-Zeit, wir das folgende Video illustriert.

 

Rechtliches, Dr. Marius Hahn, Jens-Peter Vogel, NNP, Mika Beuster, Amtsgericht Limburg