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Wie aus Bürgern Nazis (gemacht) werden

Neues aus dem Limburger Gerichtssaal. Dort wurde letzte Woche ein Mann wegen Volksverhetzung verurteilt. Er hat am 24.01.2022 in Bad Camberg auf dem Marktplatz an seiner Jacke einen stilisierten Judenstern mit der Aufschrift "ungeimpft" getragen.

Zweillos ist dies eine Handlung, die auch ich für grundfalsch halte und die ich ablehne.

Da dieses Verfahren jedoch eine große Bedeutung für die Beurteilung der "Szene" der Montagsspaziergänger hatte und hat und möglicherweise auch für weitere Verfahren, an denen u.a. ich selbst zumindest als Zeuge und Geschädigter beteiligt bin, lohnt es sich, etwas genauer hinzuschauen.

Zunächst ein rechtlicher Hinweis, der den Prozessbeteiligten mögicherweise nicht präsent war, in einer eventuellen Berufung jedoch von Interesse sein kann. Gemäß Urteil vom OLG Saarbrücken (Aktenzeichen Ss 72/2020 (2/21), Ss 72/20 (2/21)) stellt dieses in einem Leitsatz fest:

"Die Verwendung des "Judensterns" unter Ersetzung des Worts "Jude" durch die Wörter "nicht geimpft", "AFD Wähler", "SUV Fahrer" und "Islamophob" in einem öffentlich zugänglichen Facebook-Profil erfüllt als Beitrag zur öffentlich geistigen Auseinandersetzung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht den Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB und stellt auch keine Beleidigung der unter nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verfolgten Juden dar."

Matthias Jahn, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt und Professor für Strafrecht an der Goethe-Universität, ärgert das ungemein. "Wenn Sie nach meiner Meinung als Person fragen, empfinde ich das Tragen des ,Ungeimpft'-Sterns als empörend. Wenn Sie mich als Juristen fragen, ist der Freispruch gerechtfertigt. (Quelle)

So beurteile ich als Laie dies auch.

Die Frage ist also, ob es weitere Umstände gab, die dazu führen, dass diese Äußerung auf eine gezielte Herabwürdigung der Juden gerichtet war. Oder ob andere Motive vorlagen. Dies ist nicht meine Aufgabe dies zu beleuchten. Ganz sicher ging es aber bei den Montagsspaziergängen niemals um eine Herabsetzung von Juden. Sondern um Kritik an Coronamaßnahmen und Regierungshandeln.

Die NNP - Nassauische Neue Presse berichtet in ihrem Gerichtsreport am 30.09.2022, dass der Mann "in der Nähe der an diesem Abend stattfindenden Montagsspaziergänge" aufgegriffen wurde.

Am 24.01.2022 gingen weit ab vom Marktplatz ca. 80 Menschen friedlich und ohne öffentliche Meinungskundgabe spazieren. Die Einzelperson, die auf dem Marktplatz aufgegriffen wurde, war zu keinem Zeitpunkt, weder vor noch nach diesem Tag, Teil der Gruppe der Montagsspaziergänger.

An diesem Abend kam es nämlich auch zu weiteren Aktionen der Polizei (siehe nachfolgendes Video). Die Montagsspaziergänger wurden dabei am anderen Ende der Altstadt von der Polizei aufgehalten und eine Frau, die angebliche "Anführerin", wurde festgenommen. Die umstehenden Spaziergänger solidarisierten sich und forderten die Polizei auf, auch von ihnen die Personalien aufzunehmen. Denn sie seien alle gleich schuld oder unschuldig. Dem folgte die Polizei nicht. Die sog. Anführerin wurde zum Glück auch meines Wissens nach nie belangt.

Jedenfalls war es der Polizei sehr wohl bekannt, wie groß die räumliche und inhaltliche Distanz zwischen den sog. Montagsspaziergängern und dieser Einzelperson war und ist!

Warum schreibe ich dies? Nun, weil dieser Vorfall möglicherweise eine erhebliche Rolle dabei gespielt hat, dass sich die Politik im Landkreis Limburg-Weilburg unter Führung von Landrat Michael Köberle und Beteiligung aller Bürgermeisterinnen und Bürgermeister (u.a. von Dr. Hahn Limburg, Jens-Peter Vogel Bad Camberg, Silvia Scheu-Menzer Hünfelden, um nur einige zu nennen) zu ihrer am 04.02.2022 veröffentlichten "gemeinsamen Erklärung" gegen die angeblichen rechten Umtriebe bei den Montagsspaziergängen verfasst haben. Zeitgleich haben auch die Kreistagsfraktionen von CDU Limburg-Weilburg, SPD Limburg-Weilburg, FDP Kreisverband Limburg-Weilburg, Bündnis 90/Die Grünen Limburg-Weilburg über die Webseite des Landkreises eine ähnlich ausgerichtete Erklärung veröffentlicht. Lediglich die AfD Kreisverband Limburg - Weilburg enthielt sich und veröffentlichte ein klares Gegenstatement.

Diese Erklärungen der Lokalpolitiker hatte nie eine wirkliche Grundlage in dem Verhalten der Montagsspaziergänger, hat aber das Meinungsklima im Landkreis erheblich vergiftet und den sog. Gegenprotest, z.B. aus den Reihen der SPD Limburg-Weilburg, der Grüne Limburg, von DGB Limburg, Katholische Arbeitnehmer-Bewegung - KAB Diözesanverband Limburg und Bündnis Courage befeuert und ihn glauben gemacht, er dürfe jetzt nach Lust und Laune jeden als Nazi oder Rechten verunglimpfen.

Es zeigt sich einmal mehr, wie gefährlich vorschnelles und pauschaliertes (Ver)-Urteilen sein kann. Von Politikerinnen und Politikern in höchsten Ämtern darf man mehr Sorgfaltspflicht erwarten, als sie in diesem Winter zeigten.

Sie, diese Lokalpolitiker und Lokal-Aktivisten, haben sich meiner Meinung nach mit daran schuldig gemacht, ganze Bevölkerungsgruppen, möglicherweise aufgrund einer schwer nachvollziehbaren, meiner Meinung nach auch falschen Haltung einer Einzelperson, zu verunglimpfen. Sie haben oberflächlichen Schilderungen geglaubt und sich zu schlimmen Vorwürfen hinreißen lassen, die vielleicht gegenüber einer Einzelperson gerechtfertigt waren, niemals aber gegenüber hunderten von Menschen, die im Winter gegen die, wie wir jetzt alle wissen sollten, unverhältnismäßigen und unwirksamen Corona-Maßnahmen protestierten.

Ob das Limburger Urteil eine Berufung übersteht, wird sich zeigen. Dem Betroffenen sei dennoch ans Herz gelegt, mit solchen Provokationen aufzuhören. Sie dienen weder der Sache, die Politik im Land zu ändern, noch dem Miteinander in der Gesellschaft.

Und der Politik, namentlich allen Unterzeichnern der am 20.01.2022 in Bad Camberg und am 04.02.2022 auf Kreisebene veröffentlichten Statements, sei ebenfalls ans Herz gelegt: Entschuldigt euch bei den von euch verunglimpften Menschen und hört auf, diese als etwas zu titulieren, was sie nicht sind und nicht waren. Und niemals sein werden.

Auszug aus der NNP-Berichterstattung

Coronamaßnahmen, Demonstrationen, Kreis Limburg-Weilburg, Rechtliches, Michael Köberle, Limburg, Demokratie, Rechtsstaat, Dr. Marius Hahn, Bad Camberg, Jens-Peter Vogel, Silvia Scheu-Menzer